Nun also hat sie ihr weiteres Mandat: Am Montag hat die Hauptversammlung der Siemens Energy AG (SEAG) Veronika Grimm in den Aufsichtsrat des Unternehmens gewählt – das höchste Gremium, das unter anderem den Vorstand bestellt und von ihm in alle strategischen Entscheidungen einzubinden ist.
SEAG ist ein Paradebeispiel für den „Staatsmonopolistischen Kapitalismus“ (Stamokap). Das Unternehmen entstand vor vier Jahren durch Abspaltung von Siemens, dessen ehemaliger langjähriger Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser nun Aufsichtsratsvorsitzender der SEAG ist. Dank der Arbeit seiner rund 90.000 Arbeiter und Angestellten erwirtschaftet das Unternehmen einen Jahresumsatz von 27 Milliarden Euro. Die Produkte sind zentraler Bestandteil der Energiepolitik des deutschen und europäischen Kapitalismus: Ohne die dort hergestellten Transformatoren, Schaltanlagen, Generatoren, Turbinen und Verdichter gibt es in Deutschland weder Strom noch Gas.
In der Öffentlichkeit bekannt wurde SEAG, nachdem die durch die Sanktionspolitik der Bundesregierung behinderte Wartung einer der vom Unternehmen zu wartenden Turbinen von Nord Stream 1 zum Stopp russischer Gaslieferungen im Jahre 2022 beitrug. Politik und Kapital sind in diesem Bereich der Ökonomie besonders eng miteinander verzahnt: Um die geschäftlichen Risiken der Energiewende von den Aktionären auf die Steuerzahler abzuwälzen, erbat und erhielt das Unternehmen umgehend nach der Installation der neuen Bundesregierung eine Ausfallbürgschaft in Höhe von 7,5 Milliarden Euro.
Diese enge Verwobenheit ist eine der Begründungen, warum sich Monika Schnitzer, Vorsitzende des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ – oft als „Rat der Wirtschaftsweisen“ bezeichnet –, gegen die Annahme des Aufsichtsratsmandats durch ihre Kollegin wandte. Das tat sie in öffentlichen Briefen sowohl an die „liebe Veronika“ als auch an Kaeser. Ihr Brief ist mitgezeichnet durch alle anderen vier Mitglieder der Wirtschaftsweisen.
Die Einrichtung des Rats war in der entstehenden Bundesrepublik umstritten. Er schien mehreren Kräften zu sehr eine offene Bestätigung dessen zu sein, was seitens der DDR eben als „Stamokap“ charakterisiert wurde. Unterzeichnet wurde das entsprechende Gesetz bezeichnenderweise nicht vom Bundeskanzler Konrad Adenauer, sondern vom Vizekanzler Ludwig Erhard. Der damals gefundene Kompromiss sah vor, dass in diesem Rat, der offiziell die Bundesregierung in allen Fragen der Wirtschaftspolitik berät, keine Unternehmens- oder Gewerkschaftsvertreter, sondern ausschließlich Professoren vertreten sein sollten. Die Verknüpfung ausgerechnet derjenigen Professorin, die sich innerhalb des Rates auf Fragen der Energiepolitik spezialisiert hat, mit dem führenden deutschen Unternehmen der von der Bundesregierung geplanten Energiewende zerstört – so die Bedenken der Ratsmehrheit – diesen Nimbus der Unabhängigkeit.
Der Streit um das Grimmsche Aufsichtsratsmandat legt nicht nur die enge Verflechtung von Politik, Kapital und Hochschulen offen, sondern zeigt auch das Hineinschwappen der praktischen Schwierigkeiten der sogenannten Energiewende in alle Segmente der deutschen Stamokap-Maschinerie. Denn wieso sonst hätte SEAG darauf gedrängt, 7,5 Milliarden Euro in der Bundeskasse bereitzuhalten, wenn nicht die Angst bestünde, auf den Puffer zu laufen?