Luftverschmutzung ist in deutschen Städten ein größer werdendes Problem. Die Bundesregierung sieht wegen zu hoher Emissionen Handlungsbedarf, ist sich aber uneins, wie diesen beizukommen wäre. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte kürzlich gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa), dass man über Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos nachdenken müsse, wenn es keine andere Lösung gebe.
Der von der EU zugelassene Mittelwert für die Belastung mit dem giftigen Stickstoffdioxid werde nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten. Von einem Fahrverbot in München betroffen wären – je nach angewandter Abgasnorm – zwischen 133 000 und 170 000 Fahrzeuge.
Handwerk, Industrie und Handel in Bayern lehnten die Reiters Pläne ab. Waren könnten nicht mehr geliefert werden, mit vielen zusätzlichen Pendlern wäre der öffentliche Nahverkehr überfordert, warnen Verbände. Der Verband der Automobilindustrie erklärte, es gebe „intelligentere und schneller wirkende Maßnahmen“ als zeitlich begrenzte oder dauerhafte Fahrbeschränkungen, z. B. die Verbesserung des Verkehrsflusses.
Der Deutsche Städtetag plädiert vor diesem Hintergrund für die Einführung der blauen Plakette. „Niemand behauptet, dass die blaue Plakette die Ideallösung ist. Aber sie ist ein Instrument, um mögliche Fahrverbote auch kontrollieren zu können“, sagte Dedy. Es sei völlig unverständlich, dass sich die Bundesregierung nicht auf ihre Einführung einigen könne. Das sei fahrlässig. Die Einführung der blauen Plakette war im vorigen Sommer vom Bundesumweltministerium auf Eis gelegt worden. Mit ihr sollten besonders schadstoffarme Autos markiert werden.
Bundesweit gibt es verschiedene Ansätze, mit zu hohen Abgaswerten von Diesel-Fahrzeugen in Innenstädten umzugehen. In Stuttgart soll es ab 2018 an Tagen mit besonders hoher Luftverschmutzung Fahrverbote geben. Hamburg plant Fahrverbote auf Teilen zweier Hauptverkehrsstraßen. In Köln, Düsseldorf und Dortmund stehen flächendeckende Fahrverbote derzeit nicht zur Diskussion, und die niedersächsische Hauptstadt Hannover prüft derzeit alle geeigneten Maßnahmen. In elf hessischen Städten gibt es bereits Luftreinhaltepläne, mit Umweltzonen oder Lkw-Durchfahrverboten.
Die Autoindustrie denkt aber derzeit gar nicht daran, ihre Produktpalette zu ändern, wie eine neuere Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt. Diese hatte bei einem Audi A8 mit Dieselmotor und Abgasstufe Euro 6 die höchsten je gemessenen Stickoxid-Werte ermittelt. Eine Limousine habe bei Straßentests im Durchschnitt 1422 Milligramm des giftigen Stickoxids pro Kilometer ausgestoßen. Der Spitzenwert lag sogar bei 1938 Milligramm pro Kilometer. Der höchstens zulässige Wert für dieses Fahrzeug der Euronorm 6 liege allerdings nur bei 80 mg/km. „Audis Spitzenlimousine flutet die deutschen Innenstädte mit Rekordmengen des Dieselabgasgiftes Stickoxid“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Es sei „geradezu absurd“, dass für derartige Fahrzeuge eine Ausnahme für ab 2018 kommende Diesel-Fahrverbote gefordert werde.