Seit vier Wochen streiken rund 500 Arbeiterinnen und Arbeiter beim Maschinenbauer Voith. Dieser will das Werk im bayrischen Sonthofen schließen. Auch einen Vorschlag der IG Metall, den Betrieb mit reduzierter Belegschaft aufrechtzuerhalten, lehnte das Unternehmen ab. Nun kämpfen Belegschaft und Gewerkschaft nicht mehr gegen die Schließung des Werks in Sonthofen, sondern um einen Sozialtarifvertrag mit „vernünftigen Abfindungen“ für die Beschäftigten sowie Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen einer Transfergesellschaft auf Kosten des Unternehmens. Aber auch hier gestalten sich die Verhandlungen offenbar schwierig, erste Gespräche am Montag wurden abgebrochen. Sie sollen am Freitag fortgesetzt werden.
Dass der Arbeitskampf fortgeführt wird, daran ließ der Streikleiter der IG Metall, Carlos Gil, keine Zweifel: „Der Streik steht, und wir führen den Streik problemlos weiter, bis wir ein gutes Ergebnis haben.“ Und: „Wir erfahren hier eine unglaubliche Solidarität der ganzen Region, von Vereinen, parteiübergreifend von der gesamten Politik, bundesweit von der IG Metall. Das gibt den Streikenden einen enormen Rückenwind.“
Zu diesen Unterstützern gehört auch die DKP. Am Montag verteilten DKP-Mitglieder bei Voith in Heidenheim Flugblätter, in denen sie über den Streik in Sonthofen informieren und zur Solidarität aufrufen: „Alle MetallerInnen müssen sich darüber klar werden, dass jedes geschlossene Werk keinesfalls andere Arbeitsplätze sichert, sondern nur zu neuen, noch frecheren Angriffen ermutigt! Statt zuzusehen, wie ein Standort nach dem anderen gestutzt wird, braucht es die Solidarität, den gemeinsamen Widerstand aller. Solcher Widerstand – organisiert von der ganzen IG-Metall und darüber hinaus vom ganzen DGB und unterstützt durch die Bevölkerung, das wäre ein echter ‚Rettungsschirm‘.“ Weitere Verteilaktionen fanden am Dienstag in Rutesheim, Crailsheim und Garching statt.
Die Streikenden haben gezeigt, dass sie zusammenstehen. Dennoch können sie jede Unterstützung gebrauchen, denn Voith zeigt sich unnachgiebig, auch gegenüber wirtschaftlichen Argumenten. So wies Dietmar Jansen, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Allgäu, immer wieder darauf hin, dass in Sonthofen schwarze Zahlen geschrieben werden. Es sei daher „Irrsinn“, das Werk zu schließen. Toralf Haag, Vorstandschef von Voith, sieht das natürlich ganz anders: „Wir müssen den Konzern und die 20.000 Arbeitsplätze nachhaltig zukunftssicher machen. Das ist kein kalter Kapitalismus. Das ist unsere eigentliche soziale Verantwortung als Unternehmer“, sagte er im Interview mit dem „Handelsblatt“. Zu den Zukunftsplänen von Voith gehören offenbar nicht nur Entlassungen und Betriebsschließungen. Laut „antriebstechnik.de“ hat Voith gerade die Übernahme von „Elin Motoren“ abgeschlossen. Elin mit Hauptsitz in Österreich ist ein weltweit agierendes Unternehmen für elektrische Motoren und Generatoren.
Voith – Bollwerk gegen den Sozialismus
Ein Aktienpaket von über 25 Prozent wechselt nach eineinhalb Jahren den Besitzer. Der steckt dadurch über Nacht 1,2 Milliarden Euro ein, 600 Millionen mehr als beim Erwerb Ende 2014. Spekulant? „Heuschrecke“? Es handelt sich um die Voith GmbH. Sie hat im Juni ihre Anteile am Roboterhersteller KUKA AG dem chinesischen Unternehmen Midea verkauft. (…)
Voith-Chef Lienhard jedenfalls sieht sich als Gewinner, strahlt über die „prall gefüllte Kriegskasse“ und betont, dass die Eigentümer „klug entschieden“ hätten. Wer sind die Eigentümer? Die Voith GmbH (bis 2010 J. M. Voith AG, Umwandlung zur Umgehung von Mitbestimmungsrechten) ist zu hundert Prozent in der Hand der Familie Voith. Deren Firmensitz ist im schwäbischen Heidenheim an der Brenz. Dort begann der Aufstieg 1825 mit einer Schlosserwerkstatt und fünf Handwerkern unter dem Kommando des Johann Matthäus Voith.
Wirklich groß mit über tausend Lohnabhängigen wird Voith erst nach der Schaffung des gesamtdeutschen Markts durch „Blut und Eisen“ im Bismarckschen Deutschen Reich. 1870 wird die erste Wasserturbine gebaut, 1886 die erste Papiermaschine. Im Ersten Weltkrieg verdient Voith auch als Munitionshersteller dazu. Sie kommen mit „schwarzen Zahlen“ auch durch die Weltwirtschaftskrise.
Die Firmengeschichte im Tausendjährigen Reich wird „geglättet“. Der Firmenpatriarch Hanns Voith war bekennender Anthroposoph, was nicht daran hinderte, zum Wehrwirtschaftsführer ernannt zu werden und mit Rüstungsproduktion am Krieg zu profitieren und dabei schamlos Zwangsarbeiter auszubeuten. Schließlich war er wütender Antikommunist, wie seine Autobiographie offenbart. Er übergab die Stadt Heidenheim 1945 an die Amerikaner, wodurch das Werk verschont wurde. Mit deren Unterstützung kam er wieder ins Geschäft und 1.500 Wissenschaftler und Industrielle aus der sowjetisch besetzten Zone nach Heidenheim, die hier als Schwungmasse für den Aufbau Westdeutschlands als Bollwerk gegen den Sozialismus angesiedelt werden sollten.
Aus: Müller / Corell „Voith verdient(e) auch an Kriegen – Die Spitzen des deutschen Finanzkapitals“, UZ vom 29. Juli 2016