Der Bodendienstleister Wisag ist am Rhein-Main-Airport in Frankfurt tätig. Das Unternehmen versucht in der Corona-Pandemie Entlassungen durchzusetzen. Die Beschäftigten wehren sich und machten unter anderem mit einem Hungerstreik deutlich, wie groß Wut und Verzweiflung über das Verhalten von Wisag bei ihnen sind. UZ sprach mit zwei von ihnen über ihren Kampf, darüber, wie Wisag mit den Beschäftigten umgeht, und über den Eigentümer des Unternehmens, Claus Wisser.
UZ: Ihr gehört zu insgesamt 260 Beschäftigten, die von Wisag entlassen wurden. Warum wurdet ihr entlassen?
Habip Bektas: Heute wissen wir, dass das von langer Hand geplant war. Wisag hat die Firma, bei der wir gearbeitet haben, 2017/18 übernommen. Der Manteltarifvertrag wurde gekündigt, Weihnachts- und Urlaubsgeld sollte gestrichen werden – das haben wir verhindert. Dann sollten 10-Stunden-Schichten gefahren werden. Außerdem versucht Wisag immer wieder, ehemalig Beschäftigte zu deutlich schlechteren Konditionen wieder einzustellen. Auch wenn man dann übernommen ist, geht das so weiter.
Wisag wollte die Busfahrer outsourcen, also in ein anderes Tochterunternehmen überführen. Das haben die Kollegen abgelehnt, weil die Verträge schlechter gewesen wären. Daraufhin wurden sie entlassen. So wird bei Wisag mit den Arbeitern umgegangen. Das waren aber nur die ersten Kündigungen.
Insgesamt ist auffällig, dass vor allem die älteren Beschäftigten, die viel Erfahrung haben und deswegen auch mehr Geld bekommen, gekündigt wurden. Es geht Wisag nur ums Geld.
UZ: Aber ist die Auftragslage wegen der Pandemie nicht auch wirklich schlecht?
Ertugrul Kurnaz: Ja und nein. Der Luftverkehr ist natürlich heruntergefahren. Aber kurz nach unserer Übernahme hat Wisag die Preise um circa 30 Prozent erhöht, da sind große Airlines natürlich auch wieder abgesprungen.
Aktuell haben wir bei Fracht und Cargo einen Anstieg von etwa 30 bis 50 Prozent wegen der ganzen Corona-Hilfslieferungen, wie zum Beispiel Masken. Hier gibt es Arbeit. Da ist auch pro Maschine viel mehr zu tun, weil jeder Karton einzeln getragen werden muss statt mit Förderbändern, weil auch Passagierflugzeuge genutzt werden. „Cabin Load“ heißt das.
Wisag nutzt die Pandemie und packt die Gelegenheit beim Schopf. Jetzt ist der beste Augenblick, um die Leute loszuwerden, denen man eh kündigen wollte. Nach der Pandemie wird man dann mit Leiharbeit die Arbeit wieder hochfahren.
Man könnte ja auch jetzt Kurzarbeit für uns beantragen, das geht noch mindestens bis Ende des Jahres. Das macht Wisag aber nicht. Das ergibt nur Sinn, wenn man schon plant, Leute rauszuschmeißen. Aus ihrer Sicht sind wir zu teuer.
UZ: Wisag hat den Gewinn von 2018 von 63 Millionen Euro auf fast 70 Millionen 2019 steigern können. 2020 lief sicherlich schlechter, aber Unternehmenseigentümer Claus Wisser besitzt eine knappe Milliarde Euro Privatvermögen, die er aus Wisag rausgezogen hat. Er betätigt sich auch gern als Förderer für Kunst und Kultur, ist SPD-Mitglied. Auf der Wisag-Homepage werden Tarifverträge und Mindestlohn hochgehalten. Für einen Kapitalisten klingt das doch ganz ordentlich …
Ertugrul Kurnaz: Natürlich hätte Wisser uns unterstützen können. Hat er aber nicht – und wir sind keine Bettler.
Wisser hätte von Anfang anders vorgehen, hätte mal mit uns sprechen können. Vielleicht wäre dann auch in diesen schwierigen Zeiten eine Einigung erzielt worden. Stattdessen hat er „Sanierer“ geholt – diese Leute sind für mich Schlächter. Ob Tier oder Mensch, das ist für diese Leute egal. Für die sind nur Zahlen wichtig.
Habip Bektas: Wisag hat, wie gesagt, eine Art Lohndumping-System etabliert. Man müsste sowas verbieten. Dieses System ist aber mehr oder weniger legal. Das hat der Gesetzgeber so zugelassen und es wird von der Regierung geduldet.
Die Angst wird unter den Arbeitern geschürt – so bekommen Wisag und Herr Wisser immer mehr Macht. Es ist die Arbeiterklasse, die diese Reichtümer schafft. Die Millionen vom Herrn Wisser, die sind nicht vom Himmel gefallen, die sind ja irgendwo hergekommen.
UZ: Manche Kollegen sind in den Hungerstreik getreten. Was hat sie zu diesem Schritt bewogen?
Ertugrul Kurnaz: Wir haben vorher vieles versucht, bis die Kollegen sich dazu entschlossen haben. Einen Hungerstreik macht man nicht aus Spaß. Vorher haben wir Demos gemacht, mit Betriebsrat und Gewerkschaft gesprochen, die Geschäftsleitung angeschrieben.
Letztendlich wurden wir nicht gehört. Es gibt nach wie vor keine Reaktion von Wisag. Was hätten wir sonst noch machen sollen?
Wir wollen gehört werden, wir wollen Lösungen suchen.
Habip Bektas: Wir haben bis heute nicht einmal eine Erklärung des Geschäftsführers zu der ganzen Sache. Aber auch die Medien ignorieren uns überwiegend. Erst mit dem Hungerstreik haben wir etwas Aufmerksamkeit erreichen können. Insofern war der Hungerstreik auch ein Erfolg, aber es ist bitter, dass wir zu diesem Mittel greifen mussten.
UZ: Wie geht es jetzt für euch weiter? Wie kann man euch unterstützen?
Ertugrul Kurnaz: Was hier und heute mit uns passiert, das droht morgen auch anderen.
Überall sind es die gleichen Sorgen – Existenzangst, Arbeitslosigkeit, Armut. Das ist das, was uns allen blühen wird, wenn wir nicht reagieren.
Ob wir bei der Lufthansa oder am Flughafen arbeiten, ob wir Arbeiter bei Siemens, BMW oder Audi sind – die ganze Arbeiterklasse muss aufwachen. Ohne uns gibt es die Konzerne nicht. Aber wir sind nur gemeinsam stark.
„Teile und herrsche“ ist der Motor ihres Reichtums. Wir müssen zusammenkommen und miteinander handeln. Nur so können wir die Abwärtsspirale stoppen.
Habip Bektas: Jeder sollte sich zwei Stunden am Tag oder in der Woche nehmen, um andere Kollegen zu unterstützen. Wir sind viele, wir könnten selbst die Politik in Bewegung bringen. Wir haben Macht und die müssen wir auf die Straße bringen und das werden wir am 1. Mai auch tun.
Wir haben gerade erst wieder vor dem Arbeitsgericht Frankfurt demonstriert und wir demonstrieren jeden Donnerstag im Terminal 1 am Flughafen – da kann man uns gerne unterstützen.
Wir sind auf einem guten Weg, dass sich Kollegen anderer Firmen vom Flughafen zu uns stellen und mitmachen. Das ist wichtig.
Aber unser Motor wird gerade erst so richtig warm, wir fangen gerade erst an. Es geht nicht nur um uns bei Wisag, sondern es geht um Arbeiterrechte überall.