Belegschaft von Weisensee zu 100 Prozent organisiert

Streik für Tarifvertrag

Andreas Goerke

Die Firma Weisensee aus dem osthessischen Eichenzell ist das älteste Tochterunternehmen der MTW-Gruppe. Spezialisiert auf Gesenkschmiedeteile aus Magnesium, Aluminium und Kupferlegierungen, sind im Unternehmen knapp 90 Kolleginnen und Kollegen beschäftigt. Forderungen nach Betriebsrat und Tarifverträgen stoßen beim Arbeitgeber auf taube Ohren. Die letzte Lohnerhöhung im Unternehmen wurde vor sieben Jahren gezahlt, mittlerweile liegen Löhne und Gehälter knapp 20 Prozent unter dem ortsüblichen Tariflohn. Jahrelang schluckten die Beschäftigten die Mär von schlechter Konjunktur, Konkurrenzfähigkeit und schwieriger Lage in der ländlichen Region.

In jahrelanger Kleinarbeit organisierte die IG Metall Hanau-Fulda die Belegschaft und klärte sie über ihre Rechte auf. Die Belegschaft duckte sich nicht mehr weg, sondern stellte die berechtigte Forderung nach einem Tarifvertrag auf. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Betrieb stieg auf 100 Prozent. Mit Warnstreiks zeigte die Belegschaft in den letzten Wochen ihre Kampfbereitschaft. Doch der Arbeitgeber verweigerte weiterhin einen Tarifvertrag. Mit einem Angebot, das für die Beschäftigten ein „Schlag ins Gesicht“ war, zeigte der Arbeitgeber sein wahres Gesicht. Lediglich 30 Euro Zuschuss sollte es für Arbeitsschuhe geben.

Für die Belegschaft war das ein deutliches Zeichen, am 9 und 10. Dezember gab sie eine deutliche Antwort auf dieses skandalöse Angebot. In der Urabstimmung stimmten 97,18 Prozent der Belegschaft für den unbefristeten Streik. Dieser begann pünktlich um 6 Uhr am Montagmorgen. „Seit Mai sind wir nun am kämpfen. Da es nach drei Gesprächen mit den Geschäftsführern noch keine Einigung gab, werden wir ab heute für unbefristete Zeit die Arbeit niederlegen“, sagte Robert Weißenbrunner, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hanau-Fulda. Vor dem Firmengelände hatten sich die Streikenden und viele Unterstützer aus Parteien, Betrieben, Vereinen und Organisationen versammelt. Mit dem Schlachtruf „Tarifverträge wollen wir, darum streiken wir“, richteten sich die Demonstranten direkt an die Geschäftsleitung. „Der Streik ist die Antwort auf einen verhandlungsunwilligen Arbeitgeber“, sagte Weißenbrunner, bevor sich die Demonstranten auf den Weg zum Streiklokal machten. Wie lange der Streik andauert, steht noch in den Sternen, die Belegschaft ist bereit, bis zu einem gerechten Tarifvertrag zu streiken. Im Vorfeld bekamen die Streikenden Besuch von einer Delegation der Firma Bosch-Rexroth, die Delegation wollte sich nicht solidarisch zeigen, sondern versuchte die Streikenden zu erpressen. Bosch-Rexroth ist einer der wichtigsten Kunden des Unternehmens. In abenteuerlicher Art und Weise versuchten die Vertreter von Bosch-Rexroth die Belegschaft zu überzeugen, dass der Streik nur den Unternehmen schadet und dass allen Beschäftigten die Arbeitslosigkeit drohe.

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"Streik für Tarifvertrag", UZ vom 17. Dezember 2021



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