Charité Facility Management: Geschäftsführung geht gerichtlich gegen Arbeitskampf vor

Streik auf Abruf

Heiko Schmidt

Am 2. April ging die Belegschaft der Charité Facility Management GmbH (CFM) in den unbefristeten Streik. 99,3 Prozent der ver.di-Mitglieder hatten sich zuvor dafür ausgesprochen. Über 700 von 3.500 Beschäftigten beteiligten sich am Streik und damit mehr als in den vorangegangenen Warnstreiks. Das heißt, dass ganz viele logistische, technische und Reinigungsaufgaben im größten Universitätsklinikum Europas nur noch im Notbetrieb durchgeführt wurden.

Am 4. April beendete ver.di den Streik vorerst wieder. Das habe „streiktaktische Gründe“, so ver.di-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer. Die CFM-Geschäftsführung hatte versucht, den unbefristeten Streik gerichtlich untersagen zu lassen. Zwar entschied das Arbeitsgericht zugunsten des Streikrechts, erhöhte aber die Auflagen zu Notdienstbesetzungen erheblich. Die verordneten Besetzungen liegen zum Teil über den Normalbesetzungen. Das bedeutet eine starke Einschränkung der Wirksamkeit des Streiks.

Die Forderungen der Beschäftigten sind nahezu dieselben wie in vorangegangenen Kämpfen: Wiedereingliederung in die Charité und Bezahlung nach Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD). Das alles war ihnen schon mehrfach von der Berliner Politik zugesichert, war in den Koalitionsvertrag des Senats aufgenommen. Aber tatsächlich passierte nichts. Bei Nachfragen und Protesten der enttäuschten Beschäftigten gibt es regelmäßig keine Reaktion seitens der Verantwortlichen.

Das hat eine lange Vorgeschichte. Unter dem SPD/PDS-Senat wurde ab 2002 durch eine Rechtsformänderung die „Entstaatlichung“ (Originalton des damaligen Senators Thomas Flierl) der Charité vorangetrieben. Im nächsten Schritt etablierten Senat und Klinikleitung die Umwandlung der Fachrichtungen in Profit-Center. Forschung fand verstärkt über Drittmittel privater Investoren statt. Service, technische Bereiche und Verwaltung waren bis dahin hauptsächlich hauseigene Dienste. Gerade diese Bereiche waren damals die kampfstärksten Bereiche in der Charité, mehr noch als die Pflege.

Dieses Standbein tariflicher Kämpfe stand der Umsetzung neuer Konzepte natürlich im Weg. Das und die Eingruppierung in die entsprechenden Lohngruppen des Öffentlichen Dienstes war der Grund für die Ausgliederung dieser Dienstleistungen. Dazu wurden neben der Mehrheitsbeteiligung des Senats die Investoren Dussmann, Vamed und Hellmann ins Boot geholt. Dieses Modell lief bis 2019, als die Charité die CFM nach einem Senatsbeschluss von 2017 komplett übernahm.

Die Beschäftigten der CFM mussten erhebliche Nachteile hinnehmen. Anfangs gab es noch eine erhebliche Zahl von „gestellten“ Beschäftigten, die keine neuen Arbeitsverträge unterschrieben hatten und tariflich weiter so bezahlt werden mussten wie zuvor. Seit 2020 hat die CFM einen Haustarifvertrag, der branchenüblich niedrig liegt. Die Geschäftsführung behauptet, dass die volle Wiedereingliederung zu kompliziert sei. Sie verschweigt dabei, dass die Ausgründung und Zusammenfassung dieser vielen Dienste auch kompliziert war.

Die Kosten für die zu erwartenden Lohnsteigerungen betragen nach neuesten Erklärungen 42,7 Millionen Euro. Das sei für die CFM existenzgefährdend und für das Land Berlin zu teuer. Doch im Berliner Haushalt ist bereits eine entsprechende Summe „für Mehrkosten durch Rückführung ausgegliederter Gesellschaften“ eingestellt. Tatsächlich will der Senat diese Summe im Rahmen seiner Sparpolitik auf keinen Fall ausgeben. Protestierende Beschäftigte beklagten deshalb, dass sie nicht das Sparschwein des Berliner Senats sein wollen.

Der Streik der CFM wird von vielen Charité-Beschäftigten unterstützt. Die Warnstreiks liefen koordiniert und gleichzeitig mit den Warnstreiks für die laufende TVöD-Runde an der Charité. Die Bündnisse „Gesundheit statt Profite“ und „Berlin steht zusammen“ sowie die Berliner Krankenhausbewegung organisieren die Solidarität mit den Streikenden. Eine Petition „Schluss mit Lohndumping an der Charité“ wurde initiiert und hat bereits über 8.500 Unterstützer gefunden.
Aktuell läuft auch eine Spendenkampagne für die Streikenden, da das Streikgeld aufgrund der niedrigen Löhne bei vielen nicht ausreicht, um über die Runden zu kommen. Die Spendensammlung läuft zum Teil im Internet als Crowdfunding – mit Erfolg.

Zu Redaktionsschluss war nicht klar, wie es mit dem unbefristeten Streik bei der CFM weitergeht. ver.di will gegen die hohen Auflagen zu den Notdienstbesetzungen in Berufung gehen. Nach eingehender Diskussion unter den ver.di-Mitgliedern soll der Streik dann unter besseren rechtlichen Voraussetzungen wieder aufgenommen werden. Bis dahin heißt es aber nicht, einfach abzuwarten. So protestierten am Montag Beschäftigte am Ort des Frühjahrsempfangs an der Charité, an dem Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU) teilnahm, gegen die Untätigkeit des Senats.

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"Streik auf Abruf", UZ vom 11. April 2025



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