Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) schlägt Ausweitung deutscher Militäraktivitäten in der Asien-Pazifik-Region vor. Machtkampf gegen China droht dabei gefährlich zu eskalieren.

Strategisches Umdenken in Berlin

Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung schlägt eine Ausweitung deutscher Militäraktivitäten in der Asien-Pazifik-Region vor. Zwar habe die Bundeswehr bereits mit der Stärkung des „europäischen Pfeiler[s] in der NATO“ viel zu tun; es gehe dabei etwa um die Bereitstellung von „drei einsatzbereiten Divisionen mit acht bis zehn Kampfbrigaden“. Doch könne sie ergänzend auf „ein signifikantes, dauerhaftes militärisches Engagement im Indo-Pazifik“ orientieren, beispielsweise mit der Entsendung deutscher Kriegsschiffe, „rotierend oder ständig“. Die „häufigere und substanziellere Teilnahme“ deutscher Truppen „an Militärübungen im Indo-Pazifik“ solle insbesondere zur „Verbesserung der Interoperabilität und des Informationsaustauschs“ beitragen, heißt es in einem aktuellen Strategiepapier, das die Stiftung jetzt veröffentlicht hat. Das Dokument nennt auch Aktivitäten der EU in Kooperation mit Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres – mit dem Ziel, dass „diese China regional ausbalancieren“. Weil die verschärfte Konfrontation mit China zu heftigen Verwerfungen führen könne, müsse man sie, heißt es, „der deutschen Öffentlichkeit … erklär[en]“.

Machtkampf gegen Moskau

Für die prinzipielle Ausrichtung der Bundeswehr sieht die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrem aktuellen Strategiepapier vor allem zwei Optionen. Die eine besteht darin, vorrangig „den europäischen Pfeiler in der NATO und die militärische Handlungsfähigkeit der Allianz zu stärken“ – im Machtkampf gegen Russland. „Dazu müssen alle im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr festgelegten militärischen Beiträge endlich erfüllt werden“, fordert die Stiftung – „insbesondere die der NATO zugesagten drei einsatzbereiten Divisionen mit acht bis zehn Kampfbrigaden, 25 Kampfschiffe und acht U-Boote sowie vier multinationale Kampfgeschwader“, interventionsfähig spätestens im Jahr 2032. „Mit diesem – noch aufzubauenden – Streitkräftedispositiv“ könne sich die Bundesrepublik „auch stärker an der Vorwärtsstationierung in mittelosteuropäischen NATO-Staaten beteiligen“, heißt es weiter. Bislang hat die Bundesregierung zugesagt, die deutsch geführte NATO-Battlegroup im litauischen Rukla zu einer Kampfbrigade aufzustocken, insgesamt eine rund 15.000 Soldaten starke gepanzerte Division für einen etwaigen Einsatz dort bereitzuhalten, darüber hinaus Patriot-Luftabwehrraketen sowie das dazu benötigte militärische Personal in der Slowakei zu stationieren, die Beteiligung an der Luftraumüberwachung an der Ostflanke der NATO auszuweiten und die deutsche Marine auf die Ostsee zu fokussieren.

Machtkampf gegen Beijing

Dem Szenario stellt die Konrad-Adenauer-Stiftung ein zweites gegenüber, bei dem Berlin zusätzlich zu der rasanten Hochrüstung der NATO-Ostflanke „ein signifikantes, dauerhaftes militärisches Engagement im Indo-Pazifik an[strebt]“. Dies könne bedeuten, „dass Deutschland gemeinsam mit den NATO-Partnern – rotierend oder ständig – Kampfschiffe in den Indo-Pazifik entsendet“, erklärt die Stiftung. Dabei müssten NATO-Verbände, „um eine abschreckende Wirkung zu erzeugen“, zuweilen auch „die Straße von Taiwan durchfahren und Freedom of Navigation Operations (FONOPs) im Südchinesischen Meer durchführen“. Dies liefe auf eine erhebliche Zuspitzung der deutschen Provokationen hinaus. Zwar hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Fregatte Bayern auf eine Übungsfahrt in den Indischen und den Pazifischen Ozean entsandt, wo sie nicht nur an Manövern mit diversen Kriegsschiffen etwa der USA, Australiens und Japans teilnahm. Die Fregatte durchquerte auf ihrer Asien-Pazifik-Fahrt zwar auch das Südchinesische Meer, beschränkte sich dabei jedoch auf eine einfache Durchfahrt auf den üblichen Seewegen ohne zusätzliche Schikanen für China. Eine Zuspitzung der Provokationen setzt der Adenauer-Stiftung zufolge jedoch eine massive Aufrüstung der deutschen Marine voraus; vor allem müssten „mehr Fregatten beschafft oder die Bewaffnung bestehender Einheiten verbessert werden“. Dazu ist der Stiftung zufolge ein „Zeithorizont von zehn bis zwanzig Jahren“ unverzichtbar.

Manöver im Indo-Pazifik

Ergänzend zu beiden Szenarien skizziert die Konrad-Adenauer-Stiftung Vorschläge für die deutsche NATO-Politik mit Blick auf den Machtkampf gegen China. Demnach könne Berlin sich dafür einsetzen, „die Zusammenarbeit mit den indopazifischen Partnern“ des westlichen Militärpaktes „zu stärken und auszubauen“. Bei den „indopazifischen Partnern“ geht es um Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland – die vier Staaten, mit denen die NATO auf ihrem Gipfel Ende Juni in Madrid in Zukunft enger zusammenzuarbeiten beschlossen hat. Die Stärkung der Kooperation könne zunächst darin bestehen, schreibt die Stiftung, Minister sowie Staats- und Regierungschefs aller vier asiatisch-pazifischen NATO-Partnerstaaten regelmäßig zu Zusammenkünften der NATO einzuladen. „Die Kooperation sollte auch auf militärischer Ebene forciert werden“, heißt es weiter: „etwa durch eine häufigere und substanziellere Teilnahme von (deutschen) NATO-Einheiten und -Truppen an Militärübungen im Indo-Pazifik“, besonders „zur Verbesserung der Interoperabilität und des Informationsaustauschs“. Perspektivisch könne man auch Indien, den großen asiatischen Rivalen Chinas, enger an die NATO heranführen. Berlin ist schon jetzt um eine Ausweitung der Rüstungs- und Militärkooperation mit New Delhi bemüht. Ergänzend komme „eine klare Rhetorik gegenüber Peking“ in Betracht, schreibt die Stiftung; gemeint ist offenbar eine deutlich aggressivere Positionierung.

„China ausbalancieren“

Nicht zuletzt schlägt die Konrad-Adenauer-Stiftung auch für die EU eine „koordinierte maritime Präsenz in der Region“ vor. Diese könnte der Stiftung zufolge einen ergänzenden Charakter besitzen. So heißt es, die „maritime Präsenz“ könne vor allem der „Herstellung eines einheitlichen Lagebildes in der Region“ dienen. Damit leiste die EU ihren Beitrag, könne sich aber zugleich formell von der NATO abgrenzen. Darüber hinaus konstatiert die Stiftung, „die Anrainerstaaten“ beispielsweise des Südchinesischen Meeres investierten inzwischen in ihre Abwehrkapazitäten: „Was ihnen oftmals noch fehlt, sind Fähigkeiten in den Bereichen Nachrichtenwesen, Überwachung, Zielfindung und -bestimmung sowie Aufklärung“. Dort könne die EU in Zukunft „mit gezielten Maßnahmen zur militärischen Zusammenarbeit und Ertüchtigung ansetzen“. In Frage komme dabei insbesondere eine erheblich intensivere Kooperation mit Vietnam, den Philippinen, Thailand sowie Malaysia, und zwar mit dem Ziel, dass „diese China regional ausbalancieren“.

„Der Öffentlichkeit erklären“

Eine aggressivere Positionierung gegenüber China setzt, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung einräumt, „ein strategisches Umdenken in der deutschen Politik“ voraus. Insbesondere müsse man „von dem Mantra ‘Partner, Wettbewerber und Rivale‘“ abrücken. Die Trias gibt bisher die offizielle Position Deutschlands sowie der EU gegenüber der Volksrepublik wider, die zwar die ökonomische Konkurrenz („Wettbewerber“) sowie die strategische Rivalität offen benennt, allerdings auch noch Raum für die ungemein profitable Wirtschaftskooperation („Partner“) insbesondere deutscher Konzerne mit China lässt. Ein Abrücken vom Element „Partner“ liefe auf gravierende Einbußen für zahlreiche mächtige deutsche Konzerne hinaus; es wäre mutmaßlich mit einem schweren ökonomischen Einbruch verbunden. Zudem müsse man es „der deutschen Öffentlichkeit … erklär[en]“, schreibt die Stiftung mit Blick auf die zu erwartenden Verwerfungen. Es kommt hinzu, dass sich die deutsche Marine zumindest zur Zeit nicht in der Lage sieht, den gesteigerten Anforderungen in hinlänglichem Maße gerecht zu werden. Erst vor kurzem hat Marineinspekteur Jan Christian Kaack im Hinblick auf die geplante Fokussierung der deutschen Seestreitkräfte auf die Nordflanke und speziell die Ostsee erklärt, es sei „eine Neubetrachtung der Einsätze im Mittelmeer“ erforderlich: Da die Marine begrenzte Kapazitäten habe, sei die „Flexibilisierung beziehungsweise Beendigung“ dieser Einsätze notwendig. Woher vor diesem Hintergrund die militärischen Kapazitäten für größere Operationen in der Asien-Pazifik-Region kommen sollen, ist nicht klar.

Nach Australien und Hawaii

Dessen ungeachtet intensiviert die Bundeswehr schon jetzt ihre Aktivitäten in der Asien-Pazifik-Region. Nach der Asien-Pazifik-Fahrt der Fregatte Bayern wird im September ein Geschwader der Luftwaffe zu Manövern nach Australien entsandt. Aktuell beteiligt sich die Bundeswehr an der Kriegsübung RIMPAC 2022 – dem größten Marinemanöver weltweit. RIMPAC 2022 findet vor den Küsten Kaliforniens und Hawaiis im Pazifik statt.

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