Das geplante Gesetz ist (noch) ein Versuchsballon

Strafen für „Integrationsverweigerer“

Von Klaus Stein

Innenminister Thomas de Maizière hat Sanktionen für Integrationsverweigerer angekündigt. Im Mai soll ein entsprechendes Gesetz vorgelegt werden. Es richtet sich gegen Flüchtlinge. Sie sollen sich nicht dauerhaft niederlassen dürfen, wenn sie sich der „Inte-gration verweigern“. „Für diejenigen, die sich weigern, Deutsch zu lernen, die Arbeitsangebote ausschlagen, kann es nicht nach drei Jahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis geben, wie die jetzige Rechtslage ist“, sagt der Innenminister.

Anerkannten Flüchtlingen will er den Wohnsitz vorschreiben. Den Verfassungsminister juckt es nicht, wenn sein geplantes Integrationsgesetz Bestimmungen des Grundgesetzes (GG) und der Genfer Flüchtlingskonvention verletzt. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Das entsprechende Grundrecht ist durch Artikel 16 a des GG normiert, der Absatz 5 nimmt ausdrücklich Bezug auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Deren Artikel 26 garantiert die Freizügigkeit: „Jeder vertragschließende Staat wird den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in seinem Gebiet befinden, das Recht gewähren, dort ihren Aufenthalt zu wählen und sich frei zu bewegen. (…)“

Deutsche Rüstungskonzerne profitieren vom Krieg in Syrien. Schutzsuchenden, die diesem Krieg entflohen sind und bei uns noch faschistische Brandanschläge, Angriffe und Morde befürchten müssen, offeriert der Innenminister zum Schaden den Spott. Er redet nicht von den 924 Straftaten gegen Flüchtlinge, die im Jahr 2015 vom BKA registriert wurden, nicht von den 76 Brandstiftungen gegen Asylbewerberheime, sondern verweist auf die Brüsseler Anschläge. Ungeniert stellt er die Flüchtlinge in diesen Zusammenhang. Das ist Hetze.

Sie klingt wie die von Thilo Sarrazin. „Bei notorischer Integrationsverweigerung müssen wir die Sozialleistungen so stark kürzen, dass sie unter das sozio-ökonomische Existenzminimum fallen“, forderte Sarrazin seinerzeit im Wirtschaftsmagazin „Capital“ (Ausgabe 10/2010). Sanktionen „müssen weh tun, damit sie wirken“, sagte Sarrazin und konstatierte: „Wenn Sie Integrationsverweigerern nur mit Appellen kommen, lachen die sich einen Ast.“

Thomas de Maizière, dessen Vorfahren als verfolgte Hugenotten bei uns Zuflucht fanden, zeigt auf die Brüsseler Anschläge, auf Molenbeek und macht uns weis, soziale Brennpunkte, Gettos und Parallelgesellschaften mit Sanktionen und Wohnsitzauflagen verhindern zu wollen. Stimmenprozente für die Partei AfD wird er damit nicht verringern, im Gegenteil, denn es ist AfD-Politik, die er vollstreckt. Flüchtlinge sollen „Integration absolvieren“, gemeint ist, dass sie sich vollständig und widerstandslos fügen und unterordnen sollen.

Nun, das geplante Gesetz ist noch ein Versuchsballon, der unverzüglich Kritik auf sich zog. So wundert sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD) über die Sprüche des Innenministers. Es seien bessere Angebote zur Integration nötig. „Wir wissen alle miteinander, dass wir gar nicht genug Sprachkurse haben, dass wir nicht genug berufsbegleitende Maßnahmen oder eben Einstiegschancen haben.“

Annelie Buntenbach vom DGB Bundesvorstand erklärte: „Die erfolgreiche Integration von Flüchtlingen erreicht man nicht mit Gesetzesänderungen, zusätzlichen Sanktionen und Wohnsitzauflagen“. „Der Inte-grationswille, dem de Maizière meint, mit Zwang nachhelfen zu müssen, ist erheblich größer als das Angebot der Bundesregierung.“ So hätten sich statt der erwarteten 100 000 mehr als 220 000 Flüchtlinge angemeldet, als die Bundesagentur für Arbeit im Herbst 2015 als Nothilfe für fehlende Angebote selbst Deutschkurse angeboten habe.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisiert: „Bevor der Innenminister nach immer noch härteren Sanktionen ruft, sollte er erst einmal die Integrationsangebote verbessern“. Dazu gehöre auch ein ausreichendes Angebot an Sprachkursen. „Der Innenminister sollte außerdem dafür sorgen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gut ausgestattet ist und Asylverfahren beschleunigt werden.“

Sevim Dagdelen, MdB der Linkspartei: „De Maizière geht es nicht um die Integration von Flüchtlingen, sondern um Schikane. Entweder ist der Innenminister blind vor lauter Eifer im Wettstreit um die billigste Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, oder er kennt schlicht nicht die Gesetze, die in den letzten Jahren aus seinem Haus kamen“.

Flüchtlinge hätten gar nicht die Möglichkeit zu verweigern, was nicht im Angebot ist. De Maizière versuche zu verschleiern, dass der Staat seine Hausaufgaben nicht macht. Überall im Land mangele es an Lehrkräften und Integrationskursen, notwendigen berufsbegleitenden Maßnahmen und der Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen, um Flüchtlingen den Weg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. „Anstatt hier Abhilfe zu schaffen, stellt de Maizière Flüchtlinge mal wieder unter Generalverdacht. Das ist schäbig.“

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"Strafen für „Integrationsverweigerer“", UZ vom 15. April 2016



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