Was Kuba gegen die Folgen des Klimawandels tut

Strände, Solidarität und Sondersitzungen

Von Günter Pohl

Rede von Fidel Castro auf der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro (Rio-Konferenz):

„Die Wälder verschwinden, die Wüsten weiten sich aus, Milliarden Tonnen fruchtbarer Erde enden jährlich im Meer. Zahlreiche Arten sterben aus. Der aus dem Bevölkerungszuwachs resultierende Druck und die Armut führen zu verzweifelten Anstrengungen, um selbst auf Kosten der Natur zu überleben. Man kann dafür nicht die Länder der Dritten Welt beschuldigen, die gestern Kolonien waren und heute durch die ungerechte Weltwirtschaftsordnung ausgebeutete und ausgeplünderte Nationen sind.

Die Lösung kann nicht sein, die Entwicklung jener zu verhindern, die sie am meisten brauchen. Wahr ist, dass alles das, was heute zur Unterentwicklung und zur Armut beiträgt, ein offenkundiges Attentat auf die Ökologie ist. Zig Millionen Männer, Frauen und Kinder sterben infolgedessen jährlich in der Dritten Welt, mehr als in jedem der beiden Weltkriege. Der ungleiche Austausch, der Protektionismus und die Auslandsverschuldung greifen die Ökologie an und fördern die Zerstörung der Umwelt.

Wenn man die Menschheit vor dieser Selbstzerstörung retten will, müssen die Reichtümer und die verfügbaren Technologien des Planeten besser verteilt werden. Weniger Luxus und weniger Verschwendung in einigen wenigen Ländern, damit weniger Armut und weniger Hunger in großen Teilen der Erde herrschen. Schluss mit dem Transfer von Umwelt zerstörenden Lebensstilen und Konsumgewohnheiten in die Dritte Welt. Das menschliche Leben muss rationaler werden. Es muss eine gerechte internationale Wirtschaftsordnung durchgesetzt werden. Alle notwendigen wissenschaftlichen Forschungen sollen für eine nachhaltige Entwicklung ohne Umweltverschmutzung eingesetzt werden. Es soll die Umweltschuld bezahlt werden und nicht die Auslandsschuld. Es soll der Hunger verschwinden und nicht der Mensch.“

Am 25. Januar 2008 erschien im österreichischen „Standard“ ein Artikel des damaligen Doktoranden der britischen Keele Universität, Daniel Hauskost, unter dem Titel „Kuba müsste man sein“, der sich mit dem Klimawandel befasste. Der entscheidende Teil soll hier zitiert werden:

„Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Ecological Economics (Nr. 64/2008) erschienene Studie ergab, dass es in den vergangenen dreißig Jahren nur ein (zumal nicht westliches) Land geschafft hat, ein zufriedenstellendes Entwicklungsniveau mit einem vertretbaren Umweltbelastungsniveau („ökologischer Fußabdruck“) zu vereinen: Kuba! Grundlage der Studie mit dem Titel „Measuring Sustainable Development – Nation by Nation“ war eine Gegenüberstellung von offiziellen Entwicklungsdaten der UNO – auf Basis des Human Development Index (HDI) – und eigenen Berechnungen zum „ökologischen Fußabdruck“ des jeweiligen Landes.

Kuba ist demzufolge das einzige Land der Welt, das sich innerhalb des Korridors der „nachhaltigen Entwicklung“ befindet. Es vereint einen HDI-Wert von 0,82 (laut UNO ist ein Land ab einem Wert von 0,80 als „hoch entwickelt“ einzustufen) mit einem „Fußabdruck“ von 0,87 Erdäquivalenten (heißt: Wenn alle Erdenbürger wie die Kubaner lebten, wären dafür 0,87 Planeten ausreichend). Andere Länder sind entweder heillos unterentwickelt oder verbrauchen viel zu viele Ressourcen.“

Kuba ist vorbildlich

Der Fakt, dass unter allen Ländern allein Kuba beim Zusammenspiel von Schäden (ökologischer Fußabdruck) und Index der menschlichen Entwicklung die Bewertung „nachhaltig“ verdient, stand bereits 2006 im Umweltbericht des World Wildlife Fund. Der WWF konstatiert etwas widerwillig: „Allein Kuba schaffte die Kriterien für nachhaltige Entwicklung, basierend auf den Angaben, die das Land der UNO zukommen ließ.“ Die UZ schrieb am 3. November 2006:

Der World Wild Life Fund (WWF) hat Kuba als das einzige Land der Welt bezeichnet, das eine „nachhaltige Entwicklung“ hat. Gemessen wird dabei das Verhältnis zwischen dem UN-Index für menschliche Entwicklung und der „ökologischen Spur“, die der Mensch bei Energie- und Ressourcenverbrauch hinterlässt. Auf den hinteren Plätzen rangieren Länder wie Finnland, Australien, die USA, Schweden, Kuwait oder Neuseeland.

Bei der Berechnung des WWF betrug der genutzte Hektar-Wert, der pro Einwohner gerade noch tragfähig für die Erde ist, damals 1,8 Hektar (ha). Zum Vergleich: In dem Bericht, der für Kuba den Wert von 1,5 ha nennt, werden zum Beispiel die USA mit 9,6 ha, Deutschland mit 4,5 ha, die Vereinigten Arabischen Emirate (als Spitzenreiter) mit 11,9 ha, Frankreich und Großbritannien mit je 5,6 ha, die Russische Föderation mit 4,4 ha, China mit 1,6 ha, Japan mit 4,4 ha, Vietnam und Laos jeweils mit 0,9 ha, Kanada mit 7,6 ha und als Schlusslicht Afghanistan mit 0,1 ha gelistet. Der Weltdurchschnitt lag 2006 bei 2,2 ha. Nach Regionen lag Afrika bei 1,1 ha, der Mittlere Osten und Zentralasien bei 2,2 ha, Asien/Pazifik bei 1,3 ha, Lateinamerika/Karibik bei 2,0 ha, Nordamerika bei 9,4 ha, die EU bei 4,8 ha und „Nicht EU“-Europa bei 3,8 Hektar pro Person.

Den Folgen begegnen

In der Tat ist Kuba eines der Länder, die den Klimawandel wohl mit am wenigsten verschulden, gleichwohl aber dafür bezahlen werden. Denn als Insel ist Kuba vor allem vom Anstieg der Meere betroffen. Um darüber zu berichten, was das Land im Rahmen des Programms „Tarea Vida“ (Aufgabe Leben) gegen die Folgen des Klimawandels tut, hatte die Kommunistische Partei Kubas (PCC) die DKP im Juli in das Strandparadies Varadero eingeladen. Dort residiert der Geograph Óscar Luis García, Delegierter des Ministeriums für Wissenschaft, Technologie und Umwelt (CITMA).

Die Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich seit 1991 mit dem Thema, hat die Forschungen nach den Hurrikans Charly und Iván seit November 2004 aber vertieft. Dabei verlässt sich Kubas Wissenschaft nicht auf einen Stopp des Klimawandels, wofür es international auch nur wenig Anzeichen gibt. Worum es geht, ist mit den Folgen umzugehen. Für 2030 ist ein Anstieg des Meeresspiegels an Kubas Küsten um 27 cm, für 2100 bereits um 87 cm errechnet worden; es werden ebenso Überschwemmungen wie Dürreperioden erwartet. Seitdem werden direkte Maßnahmen ergriffen: Keine weiteren Gebäude in Strandnähe, Reduzierung der Bevölkerungsdichte in Ortschaften in Meeresnähe, bebaute Felder von den Küsten entfernen. Begleitet wird das von Gesetzesänderungen und kurz- und mittelfristigen Maßnahmen wie Schutz der Korallenriffe, Schutz der Sandstrände, Aufforstung, Wasserversorgungsabsicherung, Einführung von Frühwarnsystemen für die Küsten und langfristigen wie Studien zur Verletzlichkeit der Strände für den Zeitraum 2050 bis 2100. Insgesamt, so der Geograph, seien fünfzehn Risikozonen erkannt.

Beispiel Varadero

In Varadero hat der kubanische Staat zum Schutz des Tourismus bereits gehandelt. Diverse Hotels sind bereits um 150 Meter ins Landesinnere „verlegt“ worden. Das heißt: Abriss und Neubau, darunter von Großhotels wie dem „Internacional“. Davon waren bis dato keine Joint Ventures betroffen, was die Sache vereinfacht. Aber, so Óscar García, die internationalen Investoren sind dem Umweltschutz gegenüber meist aufgeschlossen. Künstliche Dünen werden geschaffen, die Hotelinfrastruktur wie Grill- und Getränkeversorgung am Meer wird nicht mehr fest verankert, sondern mobil gestaltet, und drei Millionen Kubikmeter Sand, für den Varaderos Strand berühmt ist, werden umgeschichtet.

Die Altstadt von Matanzas wurde umfassend restauriert.

Die Altstadt von Matanzas wurde umfassend restauriert.

( Sol de Cuba)

Provinz Matanzas

Die Provinz Matanzas ist besonders vom Klimawandel betroffen. Genosse García und seine Kolleginnen und Kollegen haben errechnet, dass die Stadt Cárdenas im Jahr 2100 zu dreißig Prozent überschwemmt sein wird, ebenso weite Teile der Ortschaft Varadero. Die Entwicklung der Niederschläge wird negativ sein, was zu Problemen in der Landwirtschaft, aber möglicherweise auch bei der Trinkwasserversorgung führen wird. Mit dem Klimawandel nehmen auch die Tropenstürme zu. Ein Problem ist, dass die Zonen, die besonders Hurrikan-gefährdet sind, häufig nicht nur bewohnt, sondern zudem auch von der größten Bevölkerungszunahme betroffen sind.

Zur Provinz gehört im Süden auch die Ciénaga de Zapata, ein Sumpfgebiet, das zu 75 Prozent natürliche Überschwemmungszone ist. Hier werden stellenweise Austrocknungen, stellenweise erhebliche Wasserzunahmen erwartet. Derzeit werden die Kaiman-Aufzuchtgebiete weiter nach Norden verlegt. Den Folgen des Klimawandels zu begegnen, heißt auch Tierschutz.

Dazu die Blockade

In der Provinz Matanzas liegen die Gebäude, die im Rahmen der vier Solidaritätsprojekte durch Mitglieder und Freunde der DKP zwischen 1995 und 2002 errichtet wurden. Wer die Stadt Matanzas länger nicht besucht hat, wird von den vielen Verschönerungsarbeiten an Gebäuden, Straßen und Plätzen beeindruckt sein; sogar ein kleiner Malecón ist am Fluss San Juan entstanden. „Wir unternehmen alle Anstrengungen, die ab 2014 gemachten Fortschritte zu halten“, sagt Ramón Gómez von der Provinzleitung der PCC. Aber die Blockadeverschärfung geht auch an der Provinz nicht vorbei. „Biotex“, ein Textilbetrieb, muss nach Inkrafttreten des Artikels III des so genannten Helms/Burton-Gesetzes nun Materialien aus Jamaica einführen. „Das ist teurer und komplizierter.“

Die Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade durch die USA ist ein kriegerischer Akt, der sich im Jahr 2019 drastisch verschärft. Kuba sucht dagegen neue Wirtschaftskontakte, die mit der neuen Verfassung einfacher möglich werden sollen; dazu werden in der Nationalversammlung insgesamt sechzig neue Gesetze debattiert, welche die Verfassung vervollständigen, so der Verfassungsrechtler Joaquín Bernal, der im Januar den Parteivorstand der DKP über den Verfassungsprozess informiert hatte. Erste Gesetze wurden bereits verabschiedet; so wurde mit dem Wahlgesetz die Staatsstruktur modifiziert. Noch in diesem Jahr soll ein Strafgesetz folgen, 2020 unter anderem eine Zivilrechtsreform und der Familienkodex. Dazu, so Genosse Bernal, wird die Nationalversammlung mehrere außerordentliche Sitzungen einlegen. Der Aufbau des Sozialismus verlangt einerseits Bedacht, aber das wirtschaftliche Überleben andererseits höheres Tempo. Mit Raúl Castro gesagt: „Ohne Eile, aber auch ohne Pause.“

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"Strände, Solidarität und Sondersitzungen", UZ vom 9. August 2019



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