Am 30. Dezember 1922 gründete sich die Sowjetunion. Wir erinnern an dieses hoffnungsfrohe Datum vor 100 Jahren mit einer Reihe von Glückwünschen und vier Sonderseiten.
Hartmut König,
Mitbegründer des Oktoberklubs und UZ-Kolumnist
Die von der Landkarte radierte Sowjetunion hat in unzähligen materiellen Zeugnissen überdauert. Und Menschen vieler Nationalitäten, die in ihr eine Heimat hatten, erinnern sich an den brüderlichen Zusammenhalt in Perioden von Erfolgen und Not. Wie hätten sie denken sollen, dass chauvinistischer Eifer Ehrenhaine für Helden des Vaterländischen Krieges schleifen und Bücher in russischer Sprache, die sie verband, zu Scheiterhaufen stapeln würde? Vielen von ihnen mag es beim Einholen der Sowjet-Flagge so gegangen sein wie mir beim Niedergang der DDR. Man steht vor keinem Grab, sondern vor einem Denk-Mal.
In der DDR aufgewachsen, habe ich die Sowjetunion immer als Schutzschild unserer sozialistischen Vaterländer gesehen. Wenn es Misstöne gab, gehörten sie zur Familie. Deutsch-sowjetische Freundschaft war für mich Charaktersache. Weil 27 Millionen Tote des Zweiten Weltkrieges Bürger der UdSSR, weil alle Kräfte in der Welt, die nach Frieden und Fortschritt strebten, von Moskau Hilfe erhofften und bekamen. Im relativen Wohlstand der DDR fragte ich mich manchmal, auf wieviel Lebensstandard die Sowjetmenschen in ihrer Solidarität verzichteten.
Vor beinahe einem halben Jahrhundert fuhr ich zu einem Freundschaftstreffen des Komsomol und der FDJ nach Wolgograd. Am Flussufer, wo Abchasier, Georgier, Kasachen, Russen, Tadschiken, Tataren, Ukrainer und Usbeken ihr Stalingrad verteidigten, trat ich auf leere Patronenhülsen und hob eine auf. Für immer. Sie soll mich an den roten Stern erinnern, unter dem wir, vom Faschismus befreit, die neue Gesellschaft bauten und noch immer träumen. Sto Gramm auf die 100!