Neue Belastungen und haltlose Versprechungen

Steuerschwindel

Von Ralf Hohmann

Zur Diskussion um die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch erklärt der Vorsitzende der DKP, Patrik Köbele:

„Verbrauchssteuern schaden den Menschen, retten weder Klima noch Umwelt, nutzen den Konzernen. Die Pläne zur Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Fleisch sind unsozial, wir lehnen sie genauso ab wie eine CO2-Steuer. Verbrauchssteuern treffen in der Regel nur die Endverbraucher und sie treffen immer Menschen mit geringem Einkommen wesentlich härter als andere. Arme Menschen sollen verzichten oder werden anteilig mehr zur Kasse gebeten als Reiche. Unternehmen zahlen in der Regel gar nicht oder nur Bruchteile. Wenn man Klima und Umwelt helfen will, dann muss man die Produktion steuern und nicht die Verbraucher bestrafen.“

Essen, 8. August 2019

So schnell wie möglich soll sie kommen: die CO2-Steuer. Darin sind sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), die Grünen und weite Teile der CDU und der Partei der Linken einig. Ausgangspunkt der geplanten Steuer ist der errechnete Jahresdurchschnitt von 11,61 Tonnen CO2, die jeder Bundesbürger verursacht. Debattiert wird lediglich noch, wie die Tonne CO2 zu „bepreisen“ ist: Schon im ersten Steuerjahr mit 180 Euro oder beginnend mit einem „Einstiegspreis“ von 35 Euro, der bis 2030 kontinuierlich auf 180 Euro gesteigert wird. Die Bewegung „Fridays for Future“ setzt in ihren offiziellen Forderungen, die bislang nicht revidiert wurden, oben an: „Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss schnell so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut Umweltbundesamt sind das 180 Euro pro Tonne CO2“. Natürlich muss das „sozial verträglich“ laufen. Wie soll das gehen?

35 bis 180 Euro CO2-Steuer bedeuten eine jährliche Steuerbelastung von 406,35 bis 2 089,80 Euro für jeden Verbraucher. Also auch für Kleinkinder oder ist der jeweilige Privathaushalt gemeint? Zur „Linderung“ kündigt das Umweltministerium Klimaprämien in Höhe von 40–80 Euro an, mit denen eine gute persönliche CO2-Bilanz belohnt werden soll. Was das für den eigenen Geldbeutel bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen.

Die CO2-Steuer soll als Verbrauchssteuer ausgestaltet werden. Im Steuerrecht nennt man so die Abgaben, die den Verbrauch oder Gebrauch bestimmter Waren belasten. Die Steuerlast soll gezielt den Endverbraucher treffen. Zwar fallen die Verbrauchssteuern bereits bei Produktion oder Vertrieb an und werden beim Hersteller oder Händler erhoben. Der Kapitalist ist indes nur temporär belastet. Er holt sich „sein Geld“ vom Lohnabhängigen zurück, der auf Heizung, Strom und Mobilität angewiesen ist. Die jeweilige Ware verteuert sich um den Steueranteil. Der Käufer der Ware zahlt drauf. Das Bundesverfassungsgericht hält dieses steuerliche Konstrukt für unbedenklich: „Verbrauchsteuern sollen die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers abschöpfen“ (Beschluss vom 13. April 2017.

Und abgeschöpft wird bei Dingen des notwendigen täglichen Bedarfs, wie Heizung, Strom und Benzin. Auch beim Konsum von Bier, Kaffee und anderen Genussmitteln kassiert der Staat ab: Die Belastungen für den Verbraucher sind je nach Verbrauchseinheit schon heute beträchtlich: Der Ökosteueranteil je Liter Ottokraftstoff liegt bei 65,5 Cent, der Tabaksteueranteil bei Zigaretten beträgt 75 Prozent je Packung, die Kaffeesteuer erhöht den Preis eines Pfundes Kaffee um mehr als 20 Prozent, die Kilowattstunde Strom ist um ca. 10 Prozent verteuert. Und die Mehrwertsteuer kommt jeweils noch dazu.

Über 65 Milliarden Euro Verbrauchssteuern fließen jährlich dem Bund zu, das sind etwa 9 Prozent des Gesamtsteueraufkommens und zugleich doppelt so viel wie die Jahreseinnahmen aus der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und Unternehmen (Körperschaftssteuer). Wer meint, das Steueraufkommen aus den Verbrauchssteuern werde zweckgebunden eingesetzt, liegt falsch. Nur ein Beispiel: Die Einnahmen aus der 1999 vom Schröder-Kabinett eingeführten Ökosteuer (20 Milliarden Euro Jahresvolumen) fließen überwiegend weder in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, noch in die Entwicklung umweltschonender Verkehrskonzepte, sondern dienen dazu, die Löcher in der Rentenkasse zu stopfen. Manche Milliarde des Verbrauchssteueraufkommens landet im Rüstungsetat. Wie sollte es auch anders sein, schließlich gilt das Verteilungsprinzip des Paragrafen 8 der Bundeshaushaltsordnung „Alle Einnahmen dienen als Deckungsmittel für alle Ausgaben“. Die Annahme, eine neue Steuer würde gezielt für den Klimaschutz verwendet, ist falsch, wird aber zur Irreführung der Bevölkerung gerne gebraucht. Dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages vor wenigen Tagen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit einer isolierten CO2-Steuer geäußert hat, wird das Projekt des Umweltministeriums nicht hindern. Notfalls wird eben die Ökosteuer aufgestockt. „Steuerrechtlich bleibt der Steuergegenstand identisch“, heißt es hierzu aus dem Umweltministerium.

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"Steuerschwindel", UZ vom 16. August 2019



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