Steinmeier macht den Lauten

Wenig überraschend wählte die Bundesversammlung in Berlin am 13. Februar Frank-Walter Steinmeier erneut zum Bundespräsidenten. Während die bundesdeutschen Medien weitestgehend durchgängig von einer „überwältigenden Mehrheit“ für den gemeinsamen Kandidaten von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU sprachen, macht das Ergebnis deutlich, dass Steinmeiers Wiederwahl nicht von allen Wahlleuten dieser Parteien unterstützt worden ist: Die ganz große Koalition stellte 1.223 Wahlleute, auf Steinmeier entfielen 1.045 der 1.437 abgegebenen Stimmen. Auch der Kandidat der AfD, die 151 Wahlleute stellte, erhielt mit 140 nicht alle ihrer Stimmen. Der parteilose Kandidat der Linkspartei, Gerhard Trabert, konnte hingegen mit 96 Stimmen auch einige Wahlleute aus anderen Lagern überzeugen, die Linkspartei konnte lediglich 71 Stimmberechtigte für die Bundesversammlung benennen.

Die „Frankfurter Rundschau“ schrieb nach der Wahl: „Die großkoalitionäre Fortschreibung eines im Kern neoliberalen Projekts steht bis heute im Zentrum des Steinmeierschen Denkens.“ Dazu gehört die Aggressivität nach außen, die den Kern seiner Antrittsrede ausmachte: „Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa. Und dafür trägt Russland die Verantwortung!“ Von dem Vordringen der NATO an Russlands Grenzen kein Wort. Die Abwesenheit von Krieg auf unserem Kontinent sei uns zur Gewohnheit geworden, sagte er. Was war denn mit dem völkerrechtswidrigen Angriff 1999 auf Jugoslawien und mit anderen Kriegseinsätzen der Bundeswehr in den vergangenen Jahrzehnten?

Dafür gab es jede Menge Applaus, so die „Welt“: „Endlich eine große Rede. Das Land hat sie verdient.“ Und die „Neue Osnabrücker Zeitung“ freute sich: „Seine erste Rede nach der Wiederwahl an die Adresse des russischen Präsidenten Wladimir Putin war klarer als vieles, was bisher von der Bundesregierung in dem Konflikt in der Ukraine zu hören war.“

Für die Sorgen der arbeitenden Menschen fand sich in der Antrittsrede hingegen kein Platz: Wie die steigenden Energiekosten und Mieten zu bezahlen sind und ähnliche Fragen blieben unbeantwortet. Mit einem ungebrochenen Glauben an das Gute in der SPD hofft die „Märkische Oderzeitung“, „Steinmeier ist als Sozialdemokrat ins Schloss Bellevue eingezogen. Es wäre gut, wenn er den sozialen Fragen mehr Gehör verschaffen würde.“

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"Steinmeier macht den Lauten", UZ vom 18. Februar 2022



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