Merz hat zusammengefasst, was das Kapital aus dem Fall Schlesinger zieht

Steilvorlage für Privatisierer

Spätestens mit dem Gastbeitrag von Friedrich Merz am Sonnabend in den „Badischen Neuesten Nachrichten“ ist der Fall der früheren ARD-Vorsitzenden und RBB-Intendantin in der Bundespolitik angekommen. Merz versucht, die AfD rechts zu überholen, und stellt den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) insgesamt in Frage. ARD und ZDF hätten „jetzt eine der vielleicht letzten Gelegenheiten, zu zeigen, dass sie in der Lage sind, Fehler aus eigener Kraft zu korrigieren und Veränderungen auf den Weg zu bringen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt wieder eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung zurückgeben“. Die Behauptung eines Blackrock-Statthalters und Multimillionärs, er sei die Stimme des Volkes, ist zwar ein Witz, vor allem aber gewohnte Demagogie. Zumal beide Sender ebenso wie der „Deutschlandfunk“ und die „Deutsche Welle“ seit dem 24. Februar beweisen, dass sie im Kriegsfall problemlos als Propagandaorgane von NATO, EU, Bundesregierung und Kiewer Regime funktionieren. An dem Interesse der hierzulande das Zeitungswesen beherrschenden etwa zehn reichen Familien, die Sender zu privatisieren, hat das nichts geändert.

Arnold Schoelzel 1 - Steilvorlage für Privatisierer - Bundesregierung, CDU, Fernsehen - Positionen

Was Helmut Kohl mit einer seiner ersten Amtshandlungen als Bundeskanzler 1983 begann, die Einführung des Privatfernsehens, könnte eine Koalition aus CDU/CSU und Grünen vollenden. Die fünf Punkte von Merz sind jedenfalls reif für einen Regierungsvertrag. Erste These: Die Kontrollinstanzen haben im Fall Schlesinger versagt, woraus der CDU-Chef macht: „In der fehlenden Kontrolle liegt das eigentliche, strukturelle Problem. Fehlen etwa die in jedem privatrechtlichen Unternehmen selbstverständlichen Instanzen?“ Zweitens: „Den öffentlich-rechtlichen Sendern mangelt es an Transparenz.“ Das ist richtig, aber Merz meint damit nicht, dass Journalisten nur das aufsagen dürfen, was die Chefredaktionen vorgeben, sondern Geschäftliches. Insbesondere die Talkshow-Moderatoren hätten „mit eigenen millionenschweren Produktionsgesellschaften kommerzielle Interessen etabliert“. Auch das stimmt, ist ein seit Jahren bekannter Skandal, aber auch da geht es um Profit, den Merz woanders hinlenken möchte.

Drittens: Merz lobt den ÖRR für gute Dokumentationen und schließt daraus: „Dazu braucht es aber nicht zwei konkurrierende Fernsehanstalten.“ Die alte Sehnsucht der CDU/CSU nach einem Einheitssender, auf den die Regierung noch leichteren Zugriff hat als bisher, ist wieder da. Das unterscheidet sie nicht von der AfD und Teilen der FDP. Viertens: Ebenso alt wie dieser Traum reaktionärer Kräfte ist deren Behauptung, es fehle im ÖRR an „Ausgewogenheit“. „Tagesschau“ oder „heute“ lassen sich zwar, was Antikommunismus angeht, von Konservativen selten überbieten und zeigen gegenwärtig, was sie bei Schürung von Russenhass leisten können, genutzt hat ihnen das noch nie – im AfD-Jargon „rot-grün versifft“. Merz sagt mit anderen Worten dasselbe: 90 Prozent der ÖRR-Volontäre hätten sich zu SPD, Linkspartei und Grünen bekannt, aber auch verantwortliche Redakteure drückten „einseitige Sympathie“ aus. Fünftens: Wenn von den anerkannten Regeln der Rechtschreibung abgewichen, etwa gegendert wird, kommt der ÖRR seiner „Vorbildfunktion“ nicht nach. Wie wär‘s mal mit wahrhaftiger Berichterstattung?

Fazit: Ein vor Gier und Arroganz durchgeknalltes Vorzeigepaar des deutschen Bürgerjournalismus – Schlesinger und der frühere „Spiegel“-Mann Gerhard Spörl – liefert eine Steilvorlage für alle, die schon immer den ÖRR schleifen wollten. Der hat kritische Stimmen, zumal Marxisten und Kommunisten, schon immer ausgegrenzt. Oberste Priorität einer Reform wäre, das zu ändern. Das setzt aber voraus, dass in der BRD nur wenig beim Alten bleibt.

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"Steilvorlage für Privatisierer", UZ vom 19. August 2022



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