An Betriebsrat und
Vertrauenskörperleitung der TKSE
Mannesmannstr. 101,
7259 Duisburg, Hüttenheim
Liebe Kollegen und Kolleginnen,
mit großer Bestürzung habe ich die rigorosen Kahlschlagpläne des Thyssen-Krupp-Konzerns zur Kenntnis genommen. Die Bekanntgabe von mehr als 400 Entlassungen im Grobblechwerk ist ein schwerer Schlag für die Betroffenen und ihre Familien. Es ist aber auch Ausdruck einer menschenverachtenden Politik seitens der Konzernspitze, die dem Streben nach Höchstgewinnen absoluten Vorrang einräumt und sich über Schicksale zahlreicher Arbeiterinnen und Arbeiter eiskalt hinwegsetzt. Die Ankündigung des Betriebsratsvorsitzenden Werner von Häfen nach massivem Widerstand gegen geplante Massenentlassungen ist sehr zu begrüßen und findet meine volle Solidarität.
Shabnam Shariatpanahi
Kandidatin der DKP Duisburg
zu den NRW-Landtagswahlen
Der Betriebsrat von ThyssenKrupp hat zu einer Großdemonstration am 3. Mai in Duisburg aufgerufen. Am darauffolgenden Tag ist eine Sitzung des Aufsichtsrats der europäischen ThyssenKrupp-Stahlsparte geplant. Zu der Kundgebung werden rund 10 000 Teilnehmer erwartet. Mit mehreren Aktionen hatten die Stahlarbeiter bereits in den vergangenen Tagen gegen die Pläne des Unternehmens protestiert. In dem von den Abbauplänen besonders betroffenen Werk in Duisburg-Hüttenheim war es in der letzten Woche wieder zu einer Unterbrechung der Produktion gekommen, nachdem sich rund 200 Mitarbeiter zu einer Informationsveranstaltung versammelt hatten.
Der Industriekonzern ThyssenKrupp hat „Einsparungen“ in Höhe von 850 Mio. Euro in den nächsten drei Jahren und die Schließung von Teilanlagen angekündigt. Nach Angaben des Betriebsrats sollen die Anlagen zur Verarbeitung von Grobblech in Duisburg-Hüttenheim und Bochum bereits kurzfristig vor der Schließung stehen.
Unruhe gibt es auch Mülheim an der Ruhr. Das US-Handelsministerium hat entschieden, dass jeder künftige Export des Stahlblech-Herstellers MGB mit einem Strafzoll belegt werde. Künftig sollen Exporte aus Mülheim in die USA mit einem Zuschlag von 22,9 Prozent bestraft werden. Angeblich hätte das der Salzgitter AG gehörende Werk den Vorwurf des Preisdumpings nicht widerlegen können. Der deutsche Konzern kontert damit, dass die US-Behörde Berechnungsgrundlagen der Welthandelsorganisation WTO missachtet und deshalb zu völlig haltlosen Vorwürfen kommt. Ob dieser Streit auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird, ist noch unklar. Auf jeden Fall orientieren sowohl der Betriebsrat wie auch der Vertrauensleutekörper nicht nur darauf, wachsam zu sein, welche Pläne die Konzernleitung ausbrütet, sondern auch auf die Demonstration in Duisburg.
Verständlich, dass die Unruhe in den Stahl-Belegschaften, besonders bei ThyssenKrupp groß ist. Nach einem angekündigten Sparprogramm, wozu auch noch unklare Fusionspläne mit Tata oder Salzgitter gehören, befürchten die Beschäftigten massive Einschnitte. Möglicherweise könnten mehrere tausend Arbeitsplätze in Gefahr sein, sagte der Betriebsratsvorsitzende des Werks in Duisburg-Hüttenheim, Werner von Häfen, letzte Woche nach einer Sitzung der Stahl-Betriebsräte in Essen. Neben dem bereits geplanten Abbau von rund 300 Stellen in dem Duisburger Grobblechwerk fürchte die Belegschaft allein in dem Duisburger Stahlwerk die Streichung von weiteren 600 bis 700 Jobs.
Die Stahlindustrie ist besonders anfällig für die zyklischen Krisen des Kapitalismus. Mit der Behauptung, ein positives Wachstum der deutschen Stahlproduktion sei nicht zu erwarten, verordnen die Stahlbarone ihren Betrieben einen Abbau von Kapazitäten.
Zur Begründung muss dann zum wiederholten Male der wachsende Import von Rohstahl aus der VR China herhalten, obwohl die Zahlen z. B. vom RWI (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) das überhaupt nicht hergeben. Weltweit wurde in 2016 eine Gesamtproduktionsmenge von 1 629 Mio. Tonnen Rohstahl notiert, die VR China ist daran mit rund 808 Mio. Tonnen beteiligt, in der Bundesrepublik wurden rund 42 Mio. Tonnen hergestellt. Der allermeiste chinesische Rohstahl wird im eigenen Land genutzt, die Importmengen machen lediglich fünf Prozent der Marktversorgung aus. Das sind etwa 80 Mio. Tonnen. Die weltweiten Überkapazitäten werden auf 30 bis 40 Mio. Tonnen geschätzt. Die verquere Standortdebatte, die leider auch von manchem Gewerkschafter und Betriebsrat unterstützt wird, ist also für die Probleme dieser Industrie ungeeignet.
Die nächste Kuh, die ständig übers Eis geführt wird, ist die nach den EU-Umweltauflagen, die nach Ansicht der Stahlbosse unter keinen Umständen noch verschärft werden dürfen, sondern im Gegenteil zurückgenommen werden sollten. Am liebsten hätten sie die Kompensation ihrer Stromrechnungen nicht nur bis 2020, sondern weit darüber hinaus. Die in ihren Augen viel zu hohen Löhne im internationalen Vergleich müssen ebenfalls herhalten, dabei wird die enorm hohe Produktivität in der deutschen Stahlindustrie gerne unterschlagen. Mit 495 Tonnen pro Beschäftigtem im Jahr ist diese ein internationaler Spitzenwert.