„Das Traumschiff“ überlässt seit 40 Jahren in Sachen Glück nichts dem Zufall und alles der Crew

Stahlboot im Funbad

Etwas unerträglich Trauriges“ umgebe eine Kreuzfahrt, meint Autor David Foster Wallace in seiner Reportage „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ von 1996. Manches hat sich seitdem im Kreuzfahrttourismus geändert, noch mehr, seit 1981 „Das Traumschiff“ vom Stapel lief, von James Last orchestriert. Die Preise für eine solche Reise sind jetzt auch mal so gestaltet, dass sich nicht mehr nur der blau- und normalblütige Geldadel auf den schwimmenden Stahlstädten zur Erholung tummelt, sondern auch die verrentete Beamtin und der Handwerker, der dafür seinen Sparstrumpf leert. Geblieben sind die miserablen Arbeitsbedingungen für das Personal und die überteuerten Preise für Zusatzleistungen, die nicht im Paket enthalten sind, wie Cocktails oder Massagen.

Auch die ZDF-Produktion „Das Traumschiff“ leugnet nicht, dass es Klassen gibt. In der diesjährigen Neujahrsfolge, die man noch bis Ende Januar in der Mediathek nach- oder nochmal schauen kann, fehlt es nicht an sozialer Diversität: da ist Metal-Fan Hendrik (gespielt von Oliver Bröcker), dessen Freude über den Gewinn eines Ausschreibens baden geht, als er erfährt, dass das „Traumschiff“ keine Metal-Cruise mit einer Horde langhaariger Slayerfans ist, und er die adlige Zimmernachbarin Isolde von Hohensaal (Michaela Rosen – wie aus dem Eisberg geschnitzt, der damals Jacks und Roses frische Liebe samt der „Titanic entzwei rammte“, nicht damit amüsieren kann, wenn er die Thrash-Hymne „South of Heaven“ aufdreht.

Aber Zufälle gibt es nicht auf dem Schiff von Kapitän Parger (Florian Silbereisen) und Probleme sind stets die von Christian Lindner gepriesenen „dornigen Chancen“. Schließlich haben es in vier Dekaden viele Widersprüche an, keines aber von Bord geschafft. Egal ob Ehestreit, Familienzwist oder Betrug. Auch das schwierige Nachbarschaftsverhältnis zwischen einem aufdringlichen, wenig liquiden Knuddelbär in Udo-Dirkschneider-Format und der giftgalligen, xenophoben Berufsreichen löst sich selbstverständlich in Heiterkeit auf, nach dem Besuch auf den Seychellen, beim Dinner mit dem Kapitän und allerlei Sekt und Torte. Auch die anderen Konfliktlinien, die Vater-Sohn-Kiste zwischen Trainer und Profitaucher, dessen Pumpe nicht mehr luftanhalten und nur noch für die Yogalehrerin schlagen will, oder der vergebliche Fluchtversuch einer Popsängerin vor ihrem Stalker lassen sich lösen. Alles mit Hilfe des Bordpersonals und vor allem des Allesklärers, des Kapitäns. So wie sich bei den Schlümpfen ohne Papa Schlumpf nicht gut schlumpfen lässt, so lässt sich ohne Max Pargers Eingriff am Ende von ihm persönlich auch nicht gut Fazit ziehen, wie paletti halt das Leben ist. Das liefert das „Traumschiff“ abschließend immer: in „Schrecklich amüsant“ spricht Wallace von der Mission einer Kreuzfahrt als „metaphysischer Todesverdrängung“. Am Ende einer jeden Folge „Traumschiff“ steht immer eine nicht schaffbare Portion Glück.

Wallace‘ „unerträgliche Traurigkeit“, die durch Umschwung eines Erholungsexzesses in morbide Langeweile entsteht, scheint hier keinen Platz zu haben, zumindest ist sie so erträglich, wie es seichte Unterhaltung bei schwachem Wellengang halt ist.

Wie oft in der Kunst ist auch das Interessanteste am „Traumschiff“ das, was es nicht erzählt und ausspart: denn spätestens nach dem Schauen jeder Folge, die doch immer die Gleiche ist, stellt sich nicht nur die Frage ein, wer dieses Metallmonster am Schippern hält, während die Brücke damit beschäftigt ist, irrigen Herzen den Weg zu weisen, sondern auch, wer nicht mit an Bord darf, weil deren Konflikte im Gepäck dann doch zu schwer wögen. Das Traurige am „Traumschiff“ ist, was auch den Anhänger von Bayern München melancholisch macht: die Helden haben keine Herausforderung. Eine Trauer, die von jeder Meisterschale dann doch wieder erschlagen wird. Gefühle, die es auf dem „Traumschiff“ nicht gibt, weil sie zu klein und komplex sind.

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"Stahlboot im Funbad", UZ vom 15. Januar 2021



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