Um 4.07 Uhr kam endlich die Nachricht: Auch in der vierten Runde der Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie konnte keine Einigung erzielt werden zwischen der IG Metall und den Arbeitgebern der Stahlindustrie.
Endgültig gescheitert war die Verhandlung am frühen Dienstagmorgen an der Frage der Entgelterhöhung: Während die IG Metall weiterhin 8,5 Prozent auf 12 Monate fordert, bieten die Arbeitgeber eine Einmalzahlung von 1.000 Euro im Januar 2024 und eine 3,5-prozentige Entgelterhöhung ab Juli 2024 bei einer Laufzeit von 19 Monaten. Die Gewerkschaft lehnte das als unzureichend ab. „Dieses Angebot ist so weit von einem möglichen Endergebnis entfernt, dass wir uns entschieden haben, die Verhandlung zu beenden“, erklärte Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW.
Die Gewerkschaft setzt nun auf ein deutliches Signal der Beschäftigten und rief diese – erstmals seit 2018 – zu flächendeckenden 24-Stunden-Streiks auf. Die Beschäftigten stehen geschlossen hinter ihrer Gewerkschaft. Ömer Faruk Kara, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei thyssenkrupp Steel, machte seine Kampfbereitschaft sehr deutlich, indem er beim ersten Warnstreik in Duisburg sagte: „Stahl kann nicht nur kochen, Stahl kann auch brennen!“ Die Kolleginnen und Kollegen im thyssenkrupp-Werk in Finnentrop machten am Dienstag den Anfang bei den 24-Stunden-Streiks. Ihnen ist klar, dass es eine intensive Tarifauseinandersetzung wird. Weitere Betriebe werden folgen und sich im Laufe der Woche dem Protest anschließen.
Während die Beschäftigten um faire Arbeitsbedingungen kämpfen, sorgt eine brisante Entscheidung von thyssenkrupp für zusätzliche Spannungen. thyssenkrupp-Aufsichtsrats-Chef Siegfried Russwurm drückte in einer turbulenten Sondersitzung eigenmächtig zwei neue Vorstandsposten durch, indem er erstmals in der Geschichte des Unternehmens sein Doppelstimmrecht geltend machte. Die Aufstockung des Vorstands gegen den Widerstand der Arbeitnehmerseite löste einen Streit um die Mitbestimmung aus.
Die IG Metall wertete den Schachzug als Kampfansage. Die Gewerkschaft erhebt Vorwürfe aber nicht nur gegen Russwurm, sondern auch gegen den Vorstandsvorsitzenden Miguel López, der die Mitbestimmung untergrabe und ein faires Miteinander torpediere. Jürgen Kerner, der 2. Vorsitzende der IG Metall und Stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei thyssenkrupp, betont, dass die Aktionen der Anteilseigner eine Herabwürdigung der Beschäftigten darstellen und sie damit von einem fairen Miteinander abrückten.
Für den Fall, dass der Druck der 24-Stunden-Streiks nicht reichen sollte, um die Arbeitgeberseite dazu zu zwingen, sich zu bewegen, hat die IG Metall auf die Möglichkeit einer Urabstimmung für einen unbefristeten Streik hingewiesen. Noch ist nicht klar, wie die 24-Stunden-Streiks sich auswirken werden. Sollten die Arbeitgeber nicht nachgeben, dann steuert die Stahlindustrie auf einen unbefristeten Arbeitskampf zu. Vorher sind für diesen Freitag aber noch neue Verhandlungen in Düsseldorf angesetzt.