Vor einer Woche, am Freitag vor der Landtagswahl im Saarland, beschloss der Bundestag das Gesetz zur Pkw-Maut. Die Mehrheit war sicher. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erhielt die Zustimmung der Koalition einschließlich der Masse der SPD-Abgeordneten. Die Saarländer haben sich dadurch nicht abhalten lassen, die in ihrem Land regierende Koalition, ebenfalls aus CDU und SPD, zu bestätigen.
Im Saarland ist vieles anders, das Wichtige aber ist genau so wie in der Hauptstadt Berlin. Das politische Gefüge in Deutschland ist stabil. Vor der Wahl im Saarland wurden Szenarien entworfen, die auf den tollen Ergebnissen für die SPD fußten, welche ihrerseits mit ihrem neuen Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz zu tun hatten. Angela Merkel wirkte plötzlich grau neben dem munteren Schulz. Das Saarland könne zum Beginn einer Merkeldämmerung werden. Wenn es im Saarland gelänge, mit Hilfe der dort starken Linkspartei eine Landesregierung zu bilden, dann könnte vielleicht der Schulz-Effekt stabilisiert, die SPD dazu motiviert werden, programmatisch eine Alternative zur CDU und zum Koalitionsprogramm zu formulieren, und bei gutem Abschneiden der Grünen und „Linken“ die SPD-Führung eine Regierung „diesseits der Union“ zu versuchen.
Reichlich Bedingungen also, die für einen solchen „Machtwechsel“ nötig wären. In der Realität erfüllte sich schon die erste Bedingung nicht. Das Wahlvolk an der Saar gab der CDU mehr Stimmen als bei der vergangenen Landtagswahl, der SPD und den „Linken“ weniger. Von Machtwechsel konnte im Saarland ohnehin nicht die Rede sein, auch wenn die Wähler den beiden Parteien mehr Stimmen gegeben und diese beiden eine Regierung gebildet hätten. Nicht einmal zu einem Politikwechsel hätte es gereicht. Das hat der Wahlkampf der beiden Parteien gezeigt. Oskar Lafontaine, der für die linke Seite dabei verantwortlich war, hat das Verhalten der SPD richtig kritisiert: Ihre „jetzige Wahlkampfstrategie, sich hinsichtlich des Koalitionspartners und des Programms nicht festzulegen, wird scheitern“.
Die Stabilität der politischen Verhältnisse hat hier eine wichtige Ursache: Die SPD, insbesondere ihre Führung bietet nicht nur keine Alternative, sie will auch keine sein. Schulz‘ Wahlkampfthema „mehr Gerechtigkeit“ und „leichte Anpassungen der Agenda 2010“ sind Zugeständnisse an den Unmut der SPD-Wähler. Ansonsten wird das Wahlkampfprogramm auf den Juli verschoben. Es wird vermieden, Alternativen zu formulieren. Die SPD wird auch unter Schulz nicht vom generellen Bemühen abrücken, die Verwertungsbedingungen für das Kapital in Deutschland in der schmalen Spitzengruppe weltweit zu halten. Wie das zu erreichen ist, darüber kann man sich mit anderen Parteien und unter Regierenden streiten. Aber im Grundsatz herrscht darüber Einigkeit.
Sich den wirklich Herrschenden anzupreisen und dienstbar zu machen, ist ohnehin keine einfache Aufgabe. Der SPD fällt da bekanntlich die Rolle zu, die arbeitenden Menschen und ihren Unmut einzubinden, wie es die Konservativen nur im Ausnahmefall begnadeter Populisten (wie zum Beispiel Norbert Blüm) tun können. Schulz scheint diese Rolle zu gefallen. Aber ob es ihm gelingt, Unzufriedene an sich und die SPD zu binden, scheint nach der Wahl an der Saar noch unwahrscheinlicher.
Die SPD-Führung tut jedenfalls alles, um in trauter Gemeinsamkeit mit CDU/CSU die in Deutschland erzielbare Rendite zu erhöhen. Sie verfolgt unverändert das Ziel, den Bau und die Verwaltung von Fernstraßen sowie die Abkassierung privatem Kapital zu öffnen. Voraussetzung dafür ist die Gründung einer „Infrastrukturgesellschaft Verkehr“ im Bundesbesitz. Um den Bund anstelle der Länder mit dem Fernstraßenbau zu beauftragen, ist eine Grundgesetzänderung notwendig. Sie kann nur von einer großen Koalition durchgezogen werden. Die SPD wird ihre Aufgabe dabei erfüllen. Martin Schulz sagt zwar: „Eine Privatisierung ist mit uns nicht zu machen.“ Aber die SPD-Abgeordneten und Länderregierungen werden, wenn nötig mit zusammengebissenen Zähnen, zustimmen.