In China wird am 1. Oktober der 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik gefeiert. Als Mao Zedong 1949 verkündete, das chinesische Volk sei aufgestanden, beendete dies zwei Jahrhunderte kolonialer Unterdrückung. China war zu diesem Zeitpunkt zu einem der ärmsten Länder der Erde gemacht worden. Heute gilt die Volksrepublik vielen als Weltmacht, die die Vormachtstellung der USA früher oder später beenden wird.
Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang ist da etwas zurückhaltender. Bei einer Ausstellungseröffnung zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik in Peking bezeichnete er China wieder einmal als „größtes Entwicklungsland der Erde“. Die vielleicht größte Leistung, die in den letzten 70 Jahren durch die Revolution 1949 möglich wurde, sind die Erfolge, die im Kampf gegen die Armut erzielt wurden. Hunderte Millionen konnten sich aus der absoluten Armut befreien und seit 2013 waren es noch einmal 10 bis 14 Millionen Menschen pro Jahr. Etwa 16,6 Millionen der etwa 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen gelten noch als arm. Ende 2020 – so das Ziel – soll es in der VR China keine absolute Armut mehr geben.
Laut Liu Yongfu, Direktor des Armutsbekämpfungsbüros des Staatsrats, würde dies bedeuten, dass bis 2020 alle ein jährliches Einkommen von mindestens 4 000 Yuan zur Verfügung haben. Nicht mehr arm zu sein, das heißt für Liu, sich keine Sorge mehr über den „Lebensunterhalt, Schulbesuch, grundlegende medizinische Betreuung und die Wohnsicherheit“ machen zu müssen. „Das ist unsere Untergrenze. Falls solche Probleme nicht gelöst würden, dann wäre die absolute Armut noch nicht ausgerottet.“
Zur Bilanz der Geschichte der Volksrepublik gehört auch, dass 1949 die Rate der Analphabeten bei 80 Prozent lag. Heute steht China kurz davor, dass mehr als die Hälfte der Chinesinnen und Chinesen im hochschulfähigen Alter Zugang zu höherer Bildung haben wird. 170 Millionen der insgesamt 900 Millionen Arbeitskräfte in China gelten laut offizieller Statistik mittlerweile als „hochqualifiziert“. Soviel zum Stand der Menschenrechte in der VR China.
Der chinesische Präsident Xi Jinping spricht heute von einer „Neuen Ära“, in die das Land eintrete, allerdings befinde sich die VR China immer noch im „Anfangsstadium des Sozialismus“. „Neue Ära“, das bedeutet, dass die Regierung beim Wachstum mehr auf Qualität und weniger auf Quantität setzt. Auch eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums gehört dazu und ist nicht allein auf die Folgen des von US-Präsident Trump geführten offenen Handelskrieges zurückzuführen.
An der seit über 40 Jahren praktizierten Politik der „Reform und Öffnung“ wird festgehalten, den Staatsunternehmen kommt weiterhin eine zentrale Rolle zu. Die Weltbank gibt an, dass die Zahl der staatseigenen Unternehmen in der VR China von 2008 bis 2015 sogar um 52 Prozent gestiegen sei. „In ganz China gibt es demnach 167000 solcher Staatsunternehmen“, schreibt das „Handelsblatt“ dazu. Durch Zusammenlegungen seien chinesische Staatsunternehmen „sogar noch gestärkt worden“. Ziel sei, die Staatsunternehmen „stärker, besser und größer“ zu machen, wird EU-Kammerpräsident Wuttke zitiert.
Nicht nur die Vertreter des US-Imperialismus sind frustriert darüber, dass mit der Öffnung der chinesische Wirtschaft gegenüber dem Weltmarkt die Selbstaufgabe Chinas ausgeblieben ist. 1989 wähnte man sich bereits am Ziel. Doch trotz Handelskriegs, trotz Unruhen in Hongkong, US-Waffenlieferungen an Taiwan, Unterstützung von Separatisten in Xinjiang und Tibet durch die „Westliche Wertegemeinschaft“: Die Lage ist derzeit „stabil“. Die „externen Risiken“, wie es in einem Leitartikel der Parteizeitung „People‘s Daily“ formuliert wurde, sind beherrschbar. Selbst in Hongkong wird es Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag geben – daran werden die anhaltenden gewaltsamen Proteste in Hongkong nichts ändern.