Stabil

Leben I. Auszug, Umzug, Einzug, meiner Treu, fehlt eigentlich nur noch Abzug und Entzug, dann hab ich alles beisammen. Oder, wie der gemeine Teenager gerne artikuliert: Stabil.

Nazis. Björn Höcke wurde wegen der Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“ zu einer Geldbuße in Höhe von 13.000 Euro verurteilt. #fckafd Alice Weidel dazu: „Ja, natürlich, das Ganze ist ein alberner Vorgang.“ Allerdings. Richtig wäre nämlich: Nazis in den Knast.

Leben II. Versuche beim Finanzamt anzurufen, um meine neue Adresse anzugeben. 33 Versuche enden im Warteschleifen-Nirvana, zum Teil wird auch einfach aufgelegt. Wenn ihr mal zu niedrigen Blutdruck habt, versucht das spaßeshalber auch. Wirkt garantiert.

Fußball. „Der FC Bayern kämpft in Singapur um den Sieg im Klassiker gegen Dortmund und Heidenheim ringt Kiel in Riad nieder – Die FIFA lässt die Möglichkeit prüfen, erstmals reguläre Bundesligaspiele außerhalb der Landesgrenze zu erlauben.“ (n-tv) Irgendwie auch schade, dass ich mit meinem Kindermagen niemals so viel essen kann, wie ich bei solchen Nachrichten brechen möchte.

Leben III. Gepurzeltag. Schon wieder! Irgendetwas Rundes, 20 oder 80 oder so. Uff. Gehe arbeiten und fahre danach in die Werkstatt, der kleine Wagen hat seinen TÜV zwischen Dortmund und Essen anscheinend verloren. Jammere was von Geburtstag und illegalem Autobewegen und bekomme tatsächlich am nächsten Tag einen TÜV-Termin. Toll. Liege zuhause auf dem Sofa und denke mir: Arbeit und Werkstatt am Ehrentag – feiern mit meinen Liebsten mal anders. Stabil.

Sünde. „Sex in der Kirche – Angeklagter zu Freiheitsstrafe verurteilt“ („Spiegel“). Wie jetzt, haben sie einen der kirchlichen Päderasten mal weggesperrt? Aber nein: „Ende Juli 2022 hatte der Mann mit seiner Frau einvernehmlichen Sex in der katholischen Kirche gehabt.“ Beide erwachsen und dann auch noch einvernehmlich? In einer katholischen Kirche? Das, liebe Freunde, widerspricht natürlich sämtlichen Traditionen dieser Institution. Geht gar nicht.

Leben IV. Geburtstag, abends. Wir hocken in kleinster Runde beim Bierchen vorm „missin‘ link“, ich todmüde, der Gartenbro grauer als die Wand. Die nette neue Bedienung will uns reinkomplimentieren, „wird bald regnen“. Ich, unselbstverliebt wie schon seit je: „Ich bin ein Himmelsversteher, da kommt nix runter.“ Sitzen fünf Minuten später drinnen im „Link“, draußen schüttet es Katzen und Köter und mittelgroße Riesenkalmare. Wenn ich was kann: Natur deuten. Aber Hallo.

Insektenkunde, politische. „Gerade mal fünf Millimeter misst der Käfer und lebt eher verborgen in Höhlen: Anophthalmus hitleri. Obwohl selbst viele Fachleute das Insekt noch nie zu Gesicht bekommen haben, erregt er die Gemüter. Der braune, augenlose Käfer wurde nach Adolf Hitler benannt.“ („Spiegel“) Also Hitler als braunes, blindes, millimeterkleines Insekt, das in einer nassen, dunklen Höhle rumvegetiert … gibt schlimmere Assoziationen in meinem, zugegeben begrenzten, Gehirn. Isso.

Leben V. Die erste Person, der ich hier im Haus begegnet bin – eine junge Nachbarin –, hat mich gesiezt. Überlege, spontan wieder auszuziehen. Oder wie meine Tochter mit dem Boxen anzufangen: „Weil, weißt du, Papa, da bleiben Körper und Geist …“ Ich weiß schon, Große, ich weiß schon:
Stabil.

PS: Habe versucht, einen Termin beim Bürgeramt zu bekommen, um mich umzumelden, während 500.000 bekloppte BVB-Fans versuchen einen Termin beim Bürgeramt zu bekommen, um einen vorläufigen Reisepass für das Endspiel in Wembley zu beantragen. Läuft bei mir. Nicht.