Er hat es wieder getan: Der grüne Vizekanzler hat in einer Rede „deutliche Worte“ gefunden, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet. Was waren die deutlichen Worte? „Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen – mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.“ Das sind zahme Worte angesichts des live im Fernsehen übertragenen Aushungerns der Palästinenser in Rafah. Angesichts der verzerrten öffentlichen Debatte in Deutschland aber eckt der grüne Vizekanzler an.
Zuletzt erntete Robert Habeck Applaus aus den Schreibstuben der meinungsbildenden Leitmedien und der Schreibtischtäter aus den „Rückführungsoffensive“-Parteien der „bürgerlichen Mitte“. Das war Anfang November, als der Schock tief saß darüber, dass der Krieg, den das israelische Besatzerregime gegen die Palästinenser führte, mit dem 7. Oktober auch nach Israel kam – mitsamt der Gräuel und Kriegsverbrechen, die einen sofortigen Waffenstillstand zur einzig wünschenswerten Option machen.
Wie es zu Habecks Sinneswandel kam, kann nur spekuliert werden. Offensichtlich liegt aber zwischen der im Kern rassistischen Videobotschaft, in welcher Habeck mit offiziösem Ton und Mimik jedwede Kritik an der Kriegsführung Israels als antisemitisch disqualifiziert – und in Verkennung vorgegebener aufklärerischer Tradition und Werte speziell von Muslimen verlangt, sich vom Falschen und Schlechten zu distanzieren – und seinen jüngsten Bemerkungen über das völkerrechtswidrige Vorgehen Israels ein einschneidendes Ereignis.
Dabei handelt es sich um die jüngste Entscheidung des höchsten Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen (IGH), die nun dem eigenen Wahlvolk erklärt werden muss. Das IGH forderte Israel auf, seine Militäroperation in Rafah umgehend einzustellen und den dortigen Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern offenzuhalten sowie Maßnahmen zu ergreifen, um UN-Ermittlern ungehinderten Zugang zu gewähren, damit diese Beweise für einen möglichen Völkermord sammeln können. Habeck ist als Grüner stark daran gebunden, gute Beziehungen zu den USA aufrechtzuerhalten. Der westdeutschen Staatsräson ist die „Sicherheit“ Israels so sehr zu eigen wie mit deutschen Waffen seit dem Sechstagekrieg daran verdient wird. Diese ist nun auf dem Prüfstand – zumindest verbal.
Der Generalsekretär der in der Bundestagsopposition wartenden CSU, Martin Huber, wusste gleich, dass Habeck mit seinen Aussagen „Öl ins Feuer der ohnehin schon antisemitisch aufgeheizten Stimmung in Deutschland“ gießt und damit „das Narrativ der Hamas und der Israel-Hasser“ bedient. Huber über Habeck: „Er reiht sich damit ein in die antiisraelischen Propagandisten des linken Antisemitismus. Dieser darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“
Der Ordnungshüter in Gestalt des CSU-Generals spricht wie der Berliner RCDS oder der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Denn von AfD über Springers „Bild“ bis zur antideutschen „Bahamas“ – in welcher Justus Wertmüller über „Palestine Guilt“ schreibt – sind sich deutsche Meinungsmacher darin einig, dass Antifaschismus mit den Waffen der Imperialisten durchzusetzen sei.
Die ausbleibende Debatte um das mit deutscher Staatsräson in Konflikt stehende IGH-Urteil zeigt: Die Meinungsmanipulation läuft auf Hochtouren und ist in Zeiten des „Kriegs gegen den Terror“ (auf deutsch: Zeitenwende) so professionell wie noch nie: Aggression und Expansion nennen sie „Recht auf freie Bündniswahl“. Besatzung und Völkermord heißen jetzt „Selbstverteidigung“ und Einbindung von Faschisten in ihre Strategie – wie in der Ukraine oder Israel – nennen sie „Antifaschismus“.