Verschärfung des Strafrechts zur Unterdrückung von Kritik an Israel geplant. Vernichtung Palästinas darf weiter gefordert werden

Staatsräson oder Knast

Im Oktober letzten Jahres hatte der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) vorgeschlagen, dem in unsere Staatsräson aufgenommenen Schutz des israelischen Staates das Strafrecht zur Seite zu stellen. Die Herbstkonferenz der Justizminister am 10. November 2023 nahm die Idee auf. Der Schutz des israelischen Staates gehöre zu „den zentralen historischen Fundamenten“ Deutschlands, ergo – so der gefasste Beschluss – müsse man das Strafrecht nach „Schutzlücken“ durchsehen. Es gehe um nichts weniger als den „Erhalt des öffentlichen Friedens“.

Ganze vier Tage dauerte es, da lag schon der Gesetzentwurf „zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze“ auf dem Tisch. Gebastelt von den Rechtsexperten der CDU-Bundestagsfraktion, die Juristen der Ampel kamen nicht schnell genug in die Startlöcher. Begründet mit: „Die Sicherheit Israels und seiner Bürger ist deutsche Staatsräson“, sieht der Entwurf neben der Verschärfung des Landfriedensbruch-Tatbestands und der Strafbarkeit von „Sympathiewerbung“ die Einführung eines neuen Passus’ im Volksverhetzungsparagrafen 130 Strafgesetzbuch (StGB) vor: Bis zu fünf Jahren Haft für den, der „das Existenzrecht des Staates Israel leugnet oder zur Beseitigung des Staates Israel aufruft“. Bereits drei Tage später hatte es die Gesetzesvorlage ins Parlament geschafft. In der Debatte signalisierten die Abgeordneten fraktionsübergreifend von den Grünen bis zur AfD prinzipielle Zustimmung, die Vertreterin der Partei „Die Linke“, Petra Pau, mahnte an, es müsse mehr Zeit investiert werden, um die „geltende Rechtslage auf etwaige Regelungs- und Strafbarkeitslücken zu analysieren“.

Diese Zeit hat die Gesetzgebungsmaschine nicht. Am 15. Januar dieses Jahres trafen sich geladene Sachverständige aus den Kreisen der Justiz, der Polizei, der Anwaltschaft und Universitäten im Berliner Paul-Löbe-Haus. Einig waren sich die Teilnehmer, dass Staatsanwaltschaften im Bereich israelkritischer Meinungen zu lasch verfolgen und Gerichte zu viele Strafverfahren einstellen. Das liege auch daran, dass Paragraf 130 StGB schlecht formuliert, undeutlich bis konturlos sei. Von Seiten der Rechtswissenschaft kam der Rat, bevor der Gesetzgeber hier weitere Komplikationen einführe, solle sich die Justiz besser mit „Fortbildungsangeboten, Leitfäden und Handreichungen“ an Richter und Staatsanwälte wenden, sprich, diese auf Kurs bringen. Außerdem könnte ein neuer Straftatbestand Abhilfe schaffen, wie die Leipziger Professorin Elisa Hoven vorschlug: „Denkbar wäre die Einführung einer Norm, die das Auffordern zur gewaltsamen Beseitigung eines Staates unter Strafe stellt, zu dem Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält.“

Genau – und da ist seit Januar 2018 doch Paragraf 103 StGB im Kapitel „Straftaten gegen ausländische Staaten“ (vulgo: „Majestätsbeleidigung“) freigeworden. Die erste Formulierungshilfe kommt vom Tikvah-Institut (gefördert vom Bundesinnenministerium mit 300.000 Euro) unter Leitung des Grünen Volker Beck. „Das Tikvah-Institut regt dazu an, unter der Überschrift ‚Aufruf zur Vernichtung eines Staates‘ einen neuen § 103 in das StGB zu schreiben. Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe soll bestraft werden, wer zur Vernichtung eines Staates, der Mitglied der Vereinten Nationen ist, aufruft oder diese billigt.“

Ein Aufruf, Palästina von der Landkarte zu löschen, betont Beck, solle nicht unter die neue Strafvorschrift fallen. Palästina sei nämlich kein Staat, nur eine „Entität“, also ein Ding. Da es „nicht Vollmitglied der Vereinten Nationen“ sei, könne es keinen Schutz durch die UN-Charta erwarten. 139 von 193 Mitgliedstaaten der UN erkennen Palästina als Staat an, seit 2015 ist es Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs. Das alles ist Beck allerdings egal, denn Deutschland gehört zur Minderheit der 54 Staaten, die Palästina bis heute diplomatisch nicht anerkannt haben. Es steht zu erwarten, dass in Kürze ein regierungsamtlicher Entwurf an die Öffentlichkeit kommen wird.

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"Staatsräson oder Knast", UZ vom 16. Februar 2024



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