Das sendet eine klare Botschaft: „Sie können nicht weiter Komplizen dieses Verbrechens sein. Wir fordern Rechenschaft“, so kommentierte Rechtsanwältin Nadija Samour die am 23. Februar beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe erstattete Strafanzeige gegen Mitglieder des Bundessicherheitsrats. Sie und weitere Anwälte reichten die Anzeige im Namen von deutsch-palästinensischen Familienangehörigen aus Gaza ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird darin Beihilfe zum Völkermord vorgeworfen. Kurz zuvor hatte auch der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer eine ähnliche Anzeige wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen nach den Paragrafen 8 und 11 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) eingereicht. Hintergrund sind die Waffenlieferungen der Ampel-Regierung an das israelische Militär.
Bombardements und flächendeckender Raketenbeschuss haben seit Beginn der Militäraktion im Gazastreifen 29.700 Tote und mehr als 70.000 Verletzte gefordert. Hunderttausende sind vertrieben worden. Aus den Zahlen, die das Wirtschaftsministerium auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (BSW) mitteilte, ergaben sich zum Stichtag am 15. Februar 2024 für das vergangene Jahr Waffenlieferungen im Gegenwert von 326,5 Millionen Euro, zehnmal so viel wie im Jahr 2022. Dazu gehören Panzerabwehrwaffen, Maschinenpistolen sowie 500.000 Schuss Maschinengewehrmunition.
Zuständig für die Ausfuhrgenehmigungen ist das Wirtschaftsministerium, das den Löwenanteil (Bestellwert über 306 Millionen Euro) nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober freigab. Das Wirtschaftsministerium erklärte noch im November, dass „Anträge auf Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Israel prioritär bearbeitet und beschieden“ werden müssten. In diesem Jahr ging die Zahl der Genehmigungen bis Mitte Februar auf einen Wert von circa 9 Millionen Euro zurück. Das Abebben der Liefergenehmigungen könnte darauf zurückzuführen sein, dass Südafrika am 29. Dezember 2023 vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) eine Völkermord-Klage mit Eilantrag gegen Israel eingereicht hatte, die am 26. Januar zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen gegen Israel führte.
In der Bundesregierung dürfte man erkannt haben, dass fatale Folgen drohen, wenn der IGH im Hauptverfahren zum Ergebnis käme, Israel habe sich des Völkerrechtsbruchs schuldig gemacht. Schließlich hatte Deutschland in Kenntnis der Militäraktion Kriegswaffen an den Aggressor geliefert. Berlin entschied sich, auf jeden Fall ein negatives IGH-Urteil zu verhindern, und erklärte deshalb am 12. Januar, dem Verfahren in Den Haag auf Seiten des beklagten Israels beizutreten. Dieser Strategie ist durch die weitere Entwicklung nun der Boden entzogen worden.
Am 12. Februar wurde der niederländischen Regierung der weitere Export von F-35-Flugzeugteilen nach Israel verboten. Laut Paragraf 52 des Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention seien die Niederlande – so das Gericht – wegen der Rüstungsexporte mitverantwortlich für etwaige Völkerrechtsverletzungen. Das Genfer Abkommen gilt auch für Deutschland, zusätzlich gibt es Paragraf 6 Absatz 3 Kriegswaffenkontrollgesetz, wonach die Liefergenehmigung untersagt ist, wenn „Grund zu der Annahme besteht, dass die Erteilung der Genehmigung völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzen oder deren Erfüllung gefährden würde“. Ebenfalls am 12. Februar hat die Regierung Nicaraguas angekündigt, dass sie Deutschland, Großbritannien, die Niederlande und Kanada wegen „Unterstützung beim Völkermord am palästinensischen Volk in Gaza“ vor den IGH bringen wird. Für die Apologeten der Staatsräson wird es jetzt ganz eng.