„Die Wahl von Patricia Schlesinger ist eine gute Nachricht für den RBB. Sie steht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der RBB kann sich auf eine versierte Medien-Managerin und profilierte Journalistin an seiner Spitze freuen“, verkündete Friederike von Kirchbach, Vorsitzende des Rundfunkrates, anlässlich der Berufung der neuen Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) im Jahr 2016. Sechs Jahre später durfte der Scherbenhaufen besichtigt werden, den die „versierte Medienmanagerin“ im Sender hinterlassen hatte.
Die Intendantin hatte sich für 658.112,25 Euro ihre Residenz in der 13. Etage des Funkhochhauses im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ausstatten lassen. Auf dem Intendantenparkplatz ein mondscheinblauer Audi A8 mit 435 PS und Massagesitzen zum Anschaffungspreis von 145.830 Euro, gesteuert vom allzeit bereiten Chauffeur. Ihr Büro: der schiere Ausdruck byzantinischer Prachtentfaltung mit gebürstetem und geöltem italienischen Parkett zu 16.783,82 Euro, dem unverzichtbaren Massage-Chefsessel für 1.300 Euro und begrüntem Raumteiler (7.600 Euro). Ganz zu schweigen von den Ausgaben für die medienpolitische Kontaktpflege, wie bei einem fulminanten Dinner mit der Berliner Polizeichefin (1.154,87 Euro) oder dem London-Trip zu einem Charity-Event (Tischreservierung 2.610 Euro). Allesamt „Sonderposten“, zu deren Begleichung ihr Jahresgrundgehalt von 338.058 Euro nicht ausreichte.
Just als Schlesinger im August 2022 den Sender notgedrungen wieder verlassen hatte, trat wiederum die Rundfunkrätin Friederike von Kirchbach auf den Plan: „Der RBB muss verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen, die Führungsspitze des Senders muss ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen“, verkündete sie am 16. August 2022 in einer Presseerklärung. Das Kontrollorgan „Rundfunkrat“, das von den Ausgabenorgien der Chefetage sechs Jahre lang nichts mitbekommen haben will, beschäftigte fortan 31 Rechtsanwälte, um die Buchhaltung der vergangenen Jahre „aufzuarbeiten“. Die Schlussrechnung war im November 2022 fällig: 1,4 Millionen Euro. Jeden Euro, gleich ob von Schlesinger verursacht oder für die Aufdeckung ihrer Machenschaften berappt, trägt der Gebührenzahler, der monatlich für 18,36 Euro für einen Sender mit dem Motto: „Bloß nicht langweilen!“ per Zwangsabgabe zahlen muss. Das Berliner Magazin „tip“ schrieb in seinem Jahresrückblick 2022 zutreffend: „Wenn der Fisch vom Kopf her stinkt, müffelt es beim RBB in der Masurenallee wie auf einem wurmstichigen Hochseekutter nach zehnwöchiger Fangfahrt.“
Das Problem liegt weniger in den Shopping-Eskapaden einer selbstverliebten Intendantin, es gründet vielmehr im Gewinnstreben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) und der damit einhergehenden, auf politische Willfährigkeit ausgerichteten Berichterstattung der unter dem Dach der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands“ (ARD) wirtschaftenden Landessendeanstalten. Längst gehört die ARD zu den „Big Five“ der deutschen Medienkonzerne: Auf Platz 2 hinter Bertelsmann erzielte sie 2021 6,927 Milliarden Euro Umsatz. Die Unternehmensverfassung ist die einer „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“, das harmlos daherkommende Label einer „Arbeitsgemeinschaft“ ist dabei bewusst gewählt, um das knallharte Agieren als kapitalistisches Monopol mit staatlichen Weihen zu verdecken.
Ablesen lässt sich dies beim RBB, wie bei den übrigen Sendern der ARD auch. Die Konzernstruktur besteht aus einer Vielzahl von Tochtergesellschaften (wie die „rbb media GmbH“ und die „DOKfilm Fernsehproduktion GmbH“) oder Beteiligungen an Film- und Rechteverwertungsfirmen wie „ARD MEDIA GmbH“, „ems-electronic media school“, „DEGETO FILM GmbH“ oder der „SportA Sportrechte- und Marketing-Agentur GmbH“). Der Gebührenzahler finanziert etwa 80 Prozent der circa 500 Millionen Euro Gesamtumsatz des RBB, ein Fünftel stammt aus Werbeeinnahmen, „Sponsoring“ und Rechteverwertung. Schlesingers persönliches Motto („Sparen ist unser Alltag“, „Spiegel“ vom 5. August 2021) stand für eine rigide Politik der Einsparungen bei der Belegschaft des Senders. Das beschäftigungspolitische Erfolgsmodell erklärt der RBB auf seiner Internetseite: „Menschen in freier Mitarbeit. Sie alle ermöglichen mit ihrer Arbeit die vielfältige Programmauswahl in Radio, Fernsehen und Online.“
Von den rund 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des RBB im Jahre 2021 arbeiteten etwa 1.500 als „Freie“, für die sich der Sender die Arbeitgeberanteile an Kranken-, Renten- und Sozialversicherung ersparte und die zeitweise für Projekte des Senders angeheuert wurden. Das in Reaktion auf die Causa Schlesinger vom Sender angekündigte „Sparprogramm“ in einer Dimension von 50 Millionen Euro richtet sich aktuell gerade gegen die nach dem Prinzip „Hire and fire“ unter Vertrag genommenen „Freien“. Anlässlich der für den 28. März angesetzten Tarifverhandlungen wendet sich die Gewerkschaft ver.di energisch gegen Stellenstreichungen und die beabsichtigten Lockerungen beim Kündigungsschutz.
Den treuen Gebührenzahlern, die mit jährlich 8,5 Milliarden Euro den ÖRR finanzieren, wird weisgemacht, die Einsparungen seien „alternativlos“, um die „Staatsferne“ des ÖRR zu erhalten. Ein Mythos, der immer weniger verfängt. Die „Kontrollorgane“ der Sendeanstalten, Verwaltungsrat und Fernsehrat, sind durchsetzt mit Abgesandten der Bundestagsparteien. Jeder kennt die unzähligen Beispiele früherer Mitarbeiter des ÖRR, die sich als Pressesprecher des Bundeskanzleramtes oder einzelner Ministerien verdingt haben. Frisch in Erinnerung ist die Anfang März bekanntgewordene Liste von 200 Journalisten, die von der Bundesregierung und nachgeordneten Behörden in den letzten fünf Jahren Honorare in Höhe von 1,5 Millionen Euro eingestrichen haben. Fast zwei Drittel der Summe (rund 900.000 Euro) entfielen auf Journalisten des ÖRR.