Kommunistenverfolgung in der Adenauer-Zeit

Staatsfeinde

Der Dokumentarfilm „Die Staatsfeinde – Kalter Krieg und alte Nazis“ von Daniel Burkholz erzählt die Geschichte der Verfolgung von Kommunisten nach dem Verbot der KPD im Jahr 1956. Dieses Verbot hat eine Vorgeschichte, die gleich zu Beginn des Films zur Sprache kommt. Es ist der Kampf der KPD gegen die von Adenauer betrieben Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Gerd Deumlich, ehemals Chefredakteur der UZ, erinnert während einer Kundgebung in Essen an diese Zeit und an die Ermordung von Philipp Müller während einer Demo gegen die Remilitarisierung. Seine Ausführungen und auch die Aussagen weiterer Genossinnen und Genossen liegen teilweise schon einige Jahre zurück und waren in einem Vorgängerfilm schon zu sehen. Daniel Burkholz hat das Thema jetzt mit einem neuen Schnitt aufgegriffen.

Im Mittelpunkt des 75 Minuten langen Films stehen zehn Interviews mit Genossinnen und Genossen, die wegen Lappalien oder gar nur auf Grund von Behauptungen „vom Hörensagen“ für Monate und Jahre ins Gefängnis kamen. Das waren Methoden aus dem Faschismus und viele der Richter hatten dort schon Urteile gesprochen. Robert Steigerwald berichtet sehr konkret, wer diese Richter waren: „Über uns saß zu Gericht zum Beispiel ein Richter namens Ottersbach, der hat in der Nazizeit Todesurteile gefällt über sogenannte Fremdarbeiter – der saß über uns zu Gericht!“ Diese Richter griffen in ihren Urteilen außerdem auf Rechtskommentare zurück, die ebenfalls aus der Zeit des Faschismus stammen. Auch in ihrer Vorgehensweise sind sie ähnlich perfide und pedantisch, wie es die Nazischergen waren. In einem im Film gezeigten Dokument über die Verhaftung von Genossen wird vermerkt, dass unter anderem ein Fläschchen Korrekturtinte und ein Päckchen Büroklammern beschlagnahmt wurden.

Einer der Zeitzeugen ist Hans Heisel. Er war Soldat der Kriegsmarine und eher unpolitisch, als er 1940 ins besetzte Paris kam. Dort begann er aber, die französische Widerstandsbewegung, die Résistance, zu unterstützen und desertierte schließlich. Nach 1945 kehrte er zurück nach Leverkusen und arbeitete zunächst legal und dann illegal für die KPD. 15 Monate wurde er dafür in den 60er Jahren ins Gefängnis gesteckt. Über seine Zeit in der Résistance sagte er viele Jahre später: „Wenn es eine Zeit in meinem Leben gibt, die ich nicht bereue, dann diese.“

Ingrid und Herbert Wils stammen aus Hagen. Beide waren nach dem Krieg Mitglieder der FDJ, bis diese 1951 verboten wurde. Verhaftet und ins Gefängnis geworfen wurden sie 1962 wegen Gitarrenspielen und Singens angeblich staatsfeindlicher Lieder sowie wegen der Herstellung von 70 Exemplaren einer Betriebszeitung mit dem Namen „Der Stahlformer“. Sie hatten kleine Kinder, die nach der Verhaftung allein in der Wohnung blieben, bis sie zu Verwandten beziehungsweise in ein Heim kamen. Ingrid wurde angeboten, schnell entlassen zu werden, wenn sie Genossinnen und Genossen verrät. Sie blieb standhaft. Herbert war drei Jahre im Kerker. Eine Rehabilitierung gab es nie und wegen der Zeiten im Knast blieben ihre Renten klein.

Erika und Otto Marx, ebenfalls aktive Antifaschisten aus dem Ruhrgebiet, blieb die Einkerkerung erspart, aber sie kamen in arge finanzielle Bedrängnis, weil Otto untertauchen musste. Auch sie bekamen keinerlei Wiedergutmachung. Ein weiteres Opfer ist Rosemarie Stiffel – auch sie saß im Knast; sie führt die Zuschauerinnen und Zuschauer des Films durch das Archiv der DKP und zeigt auf die langen Reihen von Ordnern mit Dokumenten über die Verfolgung unserer Genossinnen und Genossen. „Ich schäme mich nicht – aus eigenem Erleben habe ich mich für eine gute Sache eingesetzt: nie wieder Krieg“, sagt sie im Film.

Begleitet mit historischen Fakten und juristischen Einschätzungen werden die Interviews von Prof. Till Kössler und Dr. Rolf Gössner (Mitherausgeber der Zeitschrift „Ossietzky“). Auch wenn einige der Interviews schon mehrere Jahre alt sind und viele der Interviewten leider nicht mehr unter uns weilen, ist es gut, dass ihre Geschichte und ihre Stimmen weiterhin zu hören und ihre Gesichter zu sehen sind – nicht nur für die jüngeren Genossinnen und Genossen unserer Partei und der SDAJ. Wo sonst gibt es einen Dokumentarfilm, in dem diese Zeitzeugen ungeschnitten und ohne hämische Kommentare zu Wort kommen? Wo sonst gibt es einen Film, in dem die Betroffenen der Kommunistenverfolgung in den 50er und 60er Jahren erzählen konnten?

Im Anschluss an die Vorführung des Films im Karlsruher Programmkino Kinemathek kam in einer Diskussion sehr schnell die Verfolgung von Kommunisten in der Zeit der Berufsverbote zur Sprache und dann die Angriffe durch rechte Gewalt gegen eine sozialdemokratische Familie aus Rheinstetten bei Karlsruhe. Zu dem, was heute passiert, nochmals ein Satz von Hans Heisel aus dem Film „Staatsfeinde“ zur Verfolgung von Kommunistinnen und Kommunisten sowie Antifaschistinnen und Antifaschisten: „Kapitalisten bleiben Kapitalisten – wenn man den Kapitalismus ein bisschen kennt, dann weiß man, dass das normal ist … nur die deutschen Kapitalisten, die sind konservativer, die sind kleinbürgerlicher.“

Nach Karlsruhe wird der Film in loser Folge in weiteren Programmkinos und bei Veranstaltungen laufen. Ab November 2020 wird der Film dann auch für den privaten Gebrauch als DVD verfügbar sein.


Seit 1. März sind „Die Staatfeinde“ auf Filmtour – und jetzt gibt es sie, und alle unsere anderen Filme, auch zum Download und zum Streaming.
info@roadside-dokumentarfilm.de und filmfreeway.com/Public_Enemies

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Staatsfeinde", UZ vom 27. März 2020



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit