Immer mehr Verstrickungen staatlicher Stellen in die militante Naziszene

Staatliche Aufbauhilfe

Von Markus Bernhard

Die nunmehr seit Jahren anhaltende Skandalserie über Verstrickungen von Polizeibehörden und Inlandsgeheimdiensten in die neofaschistische Szene reißt nicht ab. Aktuell mehren sich Hinweise darauf, dass ein ehemaliger Deutschland-Chef des in der Bundesrepublik zumindest offiziell verbotenen militanten Nazinetzwerks „Blood and Honour“ (B&H) als sogenannter V-Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gearbeitet hat. Die ARD hatte über einen Vermerk des Berliner Landeskriminalamts (LKA) berichtet, in dem es heißt, dass „der Deutschland-Chef von Blood and Honour“ „durch das LKA 514 an das BfV vermittelt“ worden sei. Die Behörden verweigerten die Aufklärung. Die Sicherheitsbehörden der Hauptstadt wollten sich gegenüber der ARD nicht äußern, weil angeblich der „operative Kernbereich der V-Mann-Führung der Sicherheitsbehörden“ betroffen sei.

Die Linksfraktion kündigte unterdessen an, das Thema keineswegs auf sich beruhen zu lassen. „Sollten die Medienberichte tatsächlich zutreffen, dann hätte der Verfassungsschutz diese zu Recht als hochgefährlich eingestufte Organisation nicht überwacht, sondern regelrecht mit aufgebaut und womöglich über Jahre hinweg an entscheidender Stelle selbst mitgesteuert“, kritisierte Andrè Hahn, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion. Er bezeichnete die neuerlichen Vorwürfe als „ungeheuerlichen und durch nichts zu rechtfertigenden Vorgang“, der lückenlos aufgeklärt werden müsse.

Bundesregierung und Verfassungsschutz könnten sich in dieser Angelegenheit nicht auf den sogenannten Kernbereich der V-Mann-Führung berufen“, erklärt Hahn, der zugleich stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages für die Geheimdienste ist.

Auch die Bundeswehr gilt weiterhin als Hort der extremen Rechten. Auch der Skandal um Neonazi-Netzwerke in der Bundeswehr verliert noch immer nicht an Aktualität. „Die Verbindungen in die Neonazi-Szene müssen schonungslos und unverzüglich aufgeklärt werden“, erklärte Nicole Gohlke, hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, mit Blick auf aktuelle Enthüllungen über ein rechtsextremes Netzwerk an der Bundeswehr-Universität in München. „Bei Neonazis in der Bundeswehr reden wir offensichtlich längst nicht mehr von Einzelfällen, sondern von einem System des jahrelangen Wegschauens und der schweigenden Unterstützung“, so Gohlke weiter. Anders sei „nicht zu erklären, dass es zahlreiche Verbindungen zwischen Studierenden der Bundeswehr-Universität München und den organisierten Nazis der „Identitären Bewegung“ gäbe. Auch im Zusammenhang mit der Festnahme des Terrorverdächtigen Soldaten Franco Albrecht und seinem Gesinnungsgenossen Mathias F. (UZ berichtete) kam es zu neuerlichen Enthüllungen. So müssten mögliche Verbindungen zum mutmaßlichen Komplizen von Franco A., Maximilian T., der ebenfalls an der Hochschule in München studierte, „schnellstens ermittelt werden“, forderte Gohlke.

Mittlerweile gilt als offensichtlich, dass die Alimentierung der militanten Naziszene auch nach Veröffentlichungen über Verstrickungen der sogenannten Sicherheitsbehörden in den Terror des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) nicht beendet wurde. Somit stellt sich zunehmend die Frage, ob es nicht der entscheidende Schlag gegen die rechten Gewalttäter sein könnte, die bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste endgültig zu zerschlagen.

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"Staatliche Aufbauhilfe", UZ vom 26. Mai 2017



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