24 Stunden Betreuung pro Tag hatte die Agentur ihren Kunden versprochen, bezahlen wollte sie der dafür angestellten Pflegerin nur 30 Stunde pro Woche. Diesen Widerspruch konnte selbst das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht auflösen.
In einer Grundsatzentscheidung hat es festgestellt, dass ausländische Betreuungskräfte, die in deutschen Privathaushalten alte Menschen pflegen, einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Das gilt für die gesamte geleistete Arbeitszeit, Bereitschaftszeiten sind dabei ebenfalls zu berücksichtigen. Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass Bereitschaftsdienst auch besteht, wenn die Pflegehilfe im Haushalt der Senioren wohnen müsse und grundsätzlich verpflichtet ist, zu allen Tag- und Nachtstunden bei Bedarf Arbeit zu leisten.
Geklagt hatte eine bei ver.di organisierte bulgarische Kollegin. Sie ist eine von geschätzt bis zu 500.000 überwiegend aus Osteuropa stammenden Pflegehelferinnen, die in deutschen Privathaushalten pflegebedürftige Seniorinnen oder Senioren betreuen. Immerhin hatte sie einen Arbeitsvertrag. Es ist davon auszugehen, dass 200.000 Menschen ohne Arbeitsvertrag – also schwarz – als Betreuungskraft in unserem Land arbeiten.
Der Prozess offenbarte die fragilen Zustände in der bundesdeutschen Altenpflege, über die die Berliner Regierungsparteien geflissentlich hinweggesehen haben. Das Urteil löse einen Tsunami aus für alle, die daheim auf die Unterstützung ausländischer Pflegekräfte angewiesen sind, erklärte Eugen Brysch, Vorstand bei der Deutschen Stiftung Patientenschutz in Dortmund. DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel sprach nach der BAG-Entscheidung von einem Paukenschlag für entsandte Beschäftigte in der häuslichen Altenpflege. Auch wer in anderen EU-Ländern unter Vertrag stehe, habe in Deutschland elementare Schutzrechte bei Lohn und Arbeitszeiten – und das nicht nur auf dem Papier.
Der Gewerkschaftssekretärin Sylvia Bühler, die bei ver.di für das Gesundheitswesen zuständig ist, kann nur zugestimmt werden, wenn sie fordert, dass pflegebedürftige Menschen und ihre Familien Alternativen zu dieser illegalen Praxis bräuchten. Dafür müssten ambulante Pflege- und Betreuungsangebote massiv ausgebaut werden. Die Pflege der Alten darf wie das gesamte Gesundheitswesen keine Ware werden. Hier ist der Staat gefordert, die elementaren Grundbedürfnisse der Bevölkerung abzusichern.