Mehr Bauland soll die Wohnungsnot lindern

Spekulation soll helfen

Von Christoph Hentschel

Es herrscht Wohnungsnot, nicht nur in den großen Ballungsräumen, sondern auch in ländlichen Regionen. Die Bundesregierung berief deswegen eine Expertenkommission namens „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“, oder kurz: „Baulandkommission“, ein. Sie sollte Lösungsvorschläge für zu wenig Wohnungen für zu viel Geld erarbeiten. Nach neun Monaten legte die Baulandkommission am 2. Juli „Handlungsempfehlungen zur nachhaltigen Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ vor, schreibt das  Bundesinnenministerium in einer Pressemitteilung. Dorothee Stapelfeldt, Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen und stellvertretende Vorsitzende der Baulandkommission, sagt, „Grund und Boden sind keine beliebig vermehrbare Ware, sondern eine wertvolle Ressource. Der zunehmende Wachstumsdruck, der große Mangel an bezahlbarem Wohnraum und bezahlbarem Bauland insbesondere in den Städten und Ballungszentren fordern von allen beteiligten Akteuren mehr denn je eine nachhaltige und sozial orientierte Stadtentwicklungs- und Bodenpolitik.“ Der Lösungsvorschlag der Baulandkommission sieht „die zügige Bereitstellung von Bauland“ vor, wie Marco Wanderwitz, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, es zusammenfasst.

„Das befeuert nur die Spekulation“, sagt Alfred. J. Arndt, DKP-Stadtrat in Mörfelden-Walldorf. In der hessischen Kommune nahe dem Frankfurter Flughafen führt heute schon die Bodenspekulation zu immer absurderen Auswüchsen. Objekt der Begierde ist der grüne Gürtel zwischen den Ortsteilen Mörfelden und Walldorf, die bis zur Hessischen Bodenreform 1974 eigenständige Gemeinden waren. Durch die Nähe zum Ballungsraum Frankfurt am Main und dem international bedeutenden Flughafen ist auch in Mörfelden-Walldorf bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware geworden. Die Ackerflächen zwischen den Stadtteilen, die heute zum Teil bewaldet sind, wären für viele Spekulanten ein profitables Geschäft, wenn sie Bauland würden.

„Die Grundstückseigentümer, die Immobilienspekulanten und die Stadt Mörfelden-Walldorf bereiten sich darauf vor“, sagt Arndt. Für den gesamten Gürtel besteht durch die Lärmgesetzgebung eine Siedlungsbeschränkung wegen des Flughafens. Vor drei Monaten ergaben neue Messungen, dass der Lärm geringer geworden ist, Die Zone, in der man keine Wohnungen bauen darf, wird kleiner. Die Stadtregierung aus SPD, „Freien Wählern“ und FDP fasste daraufhin ein kleines Baugebiet am Südrand des Ortsteiles Walldorf ins Auge und meldete es zum Landesentwicklungsplan an. Zwischenzeitlich gab es einen Machtwechsel an der Spitze der Stadt. Der sozialdemokratische Bürgermeister verlor die Stichwahl gegen den grünen Herausforderer. Jedoch bleiben die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat mindestens bis zur Kommunalwahl im März 2021 dieselben. So wählte dieser statt – wie eigentlich üblich – nicht den neuen Bürgermeister in den Beirat des Landesentwicklungsplans, sondern den sozialdemokratischen Stadtverordnetenvorsteher. Der grüne Bürgermeister hatte im Wahlkampf ein Programm, das in wesentlichen Teilen dem der Stadtratsfraktion der „DKP/Linke Liste“ glich. Auch die DKP/LL spricht sich gegen die Bebauung des Gürtels aus und fordert stattdessen mehr sozialen Wohnungsbau.

Ein weiterer Vorstoß sollte letztes Jahr der Bau eines Feuerwehr-Gerätehauses in der „Grünen Mitte“ sein, da die alten Spritzenhäuser in den beiden Stadtteilen angeblich marode seien. Das Gebäude sollte als Kristallisationspunkt für die Erschließung der Grünflächen dienen. Freunde der „Freien Wähler“ kauften sich sogar Grundstücke in der Nähe des geplanten Feuerwehr-Gerätehaus. Jedoch wehrte sich die lokale Feuerwehr gegen die Pläne der Stadtregierung und die Oppositionsparteien im Stadtrat, DKP/ LL, Bündnis 90/ Die Grünen und CDU, initiierten Ende 2018 einen Bürgerentscheid gegen den Bau. 74,4 Prozent der abgegebenen Stimmen votierten gegen den Vorstoß der Stadt in den Gürtel.

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"Spekulation soll helfen", UZ vom 12. Juli 2019



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