Wir Kommunistinnen und Kommunisten würden gern anderes über den Koalitionsvertrag feststellen. Auch wenn die LINKE mit nur 9 Abgeordneten der SPD mit 34 Abgeordneten im Landtag gegenübersteht, so scheint es doch, dass bereits im Vorfeld den LINKE-Mitgliedern zugemutet wurde, einiges an Kröten zu schlucken – sonst hätten seitens ihrer Landesführung nicht so weitgehende Zugeständnisse so reibungslos über die Bühne gebracht werden können.
Schon im Vorwort wird das vermeintliche Unrecht der DDR herausgestellt – in Kontrast zur segensreichen Entwicklung, die das Land in den letzten 30 Jahren erlebt haben soll. Erinnert sei an die starke Deindustrialisierung (die im Koalitionsvertrag wie zum Hohn als faktisch „klimafreundlich“ dargestellt wird), an die Abwanderung vieler junger Menschen sowie an eine Arbeitslosenquote, die bis 1993 auf über 17 % kletterte – wie gesagt bei hoher Abwanderung. Tausende haben ihre Beschäftigung bei den Werften und in der Landwirtschaft verloren. Die Kosten für eine Konsolidierung des Arbeitsmarkts sind Niedriglohn und werden Armutsrenten sein.
Aber auch wenn man diesen geschichtspolitischen Kotau – der so weit geht, dass die DDR zu einem bedauernswerten Ergebnis des vom Hitlerfaschismus entfachten Zweiten Weltkriegs erklärt wird – außer Acht lässt, erkennt man im Koalitionsvertrag nicht die Handschrift einer LINKEn. Beide Parteien, SPD und LINKE, bekennen sich in ihren Bundesprogrammen zum demokratischen Sozialismus. Anscheinend beinhaltet dieser eine Beibehaltung der Schuldenbremse (Z. 108–111), das Bekenntnis zu einer intensiven Zusammenarbeit mit der Bundeswehr (Z. 2647 ff.) sowie zur antidemokratischen Europäischen Union als „historisch einmaliges Friedensprojekt“ (Z. 2809 f.) – ob die Bevölkerung der Ostukraine oder die Menschen auf dem Balkan dies ebenso sehen?
„Verfassungsfeinde müssen aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden“ (Z. 2701 f.), so heißt es vollmundig – was, wie wahrscheinlich vielfach zugunsten der Autoren angenommen wird, insbesondere Faschisten treffen soll. Aber die Geschichte hat gezeigt und zeigt bis heute, wozu Radikalenerlasse und mit diesen begründete Berufsverbote führten. Zehntausende Kommunisten, Demokraten und Friedensbewegte wurde nicht nur der Schuldienst verweigert, sondern auch die Ausübung ihres Berufs bei Post und Bahn. So bekämpft man nicht die wirklichen Verfassungsfeinde von rechts, die auch in MV nicht zuletzt in staatlichen Behörden, etwa dem „Verfassungsschutz“, ihr Unwesen trieben.
Wie zu erwarten, findet sich im Koalitionsvertrag nichts, was an die berechtigte Kritik der LINKEn an den seit zwei Jahren geltenden Bestimmungen des sog. Ordnungs- und Sicherheitsgesetzes (SOG) von MV erinnern würde. Auf dieses Gesetz, das in seinem überwachungsstaatlichen Charakter bundesweit heraussticht, wird an einer Stelle Bezug genommen: Es werde „wie gesetzlich verankert evaluiert“. (Z. 2617 f.) Auch hier hat die SPD sich offensichtlich weitestgehend durchgesetzt.
Ein Bekenntnis zu Nord Stream 2 fehlt im Koalitionsvertrag, auch wenn stets und ständig von Klimaneutralität und -schutz die Rede ist. Dies ist durchaus alarmierend. Zum allermindesten muss von LINKEn wie SPD verlangt werden, dass sie sich zur Gaspipeline als kostengünstige und geopolitische Energieoption bekennen, wie sie es vor der Wahl ja beide getan haben.
Auf Bundesebene möchte man sich immerhin bei Initiativen anschließen, die kleine und mittlere Einkommen entlasten wollen, sowie für die Einführung einer Vermögenssteuer plädieren. (Z. 147 ff.) Auch soll der Industrieanteil an der wirtschaftlichen Gesamtleistung erhöht werden (vgl. Z. 303 ff.), man erhoffe sich dadurch auch höhere Löhne. Löhne sollen generell durch Allgemeinverbindlichkeiten von Tarifverträgen auf Landesebene (Z. 508 ff.) erhöht werden oder durch ein aktualisiertes Vergaberecht, das regionale Unternehmen bevorzugen soll, die Tariflohne oder tarifgleichen Lohn zahlen. (Z. 511 ff.) Weiterhin bekennt sich die rot-rote Landesregierung in spe zur maritimen Wirtschaft und zu den Werften, es soll gar geprüft werden, ob die Landesbürgschaften erhöht werden – Mitspracherecht möchte man sich weiterhin nicht einräumen. (Z. 40 ff.) Für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, soll es eine „Ausbildungsplatzgarantie“ geben. (Z. 545 ff.) Auch der Erhalt aller Berufsschulstandorte wird festgeschrieben. (Z. 595 ff.)
Positiv zu bewerten ist der geplante Ausbau der Häfen von Rostock und Sassnitz, um die wirtschaftlichen Beziehungen nicht nur zu den Ostseeanrainerstaaten zu intensivieren, sondern insbesondere mit der Russischen Föderation und mit der VR China aufgrund der wachsenden Bedeutung des Projekts „Neue Seidenstraße“. (Z. 840 ff.)
Nicht nur für die Bevölkerung auf dem Land sollen die Angebote des ÖPNV ausgebaut werden, beispielsweise mit einem Rufbussystem. Das Bekenntnis zum Ausbau des Bahnstreckennetzes auf dem Darß sowie die Südanbindung der Insel Usedom sind gut, jedoch vor allem im Sinne der Touristenströme und nicht allgemein für die Einwohnerinnen und Einwohner. So vertagt man einen durchgängigen Betrieb der Südbahn (Parchim – Neubrandenburg) mittels einer Potentialanalyse, die 2027 zum Ergebnis kommen soll – wer dann wohl regiert? Zum 365 Euro teuren Azubiticket kommt ein Seniorenticket in der gleichen Preisklasse
Im Wahlkampf forderte die LINKE 1.000 zusätzliche Stellen für Lehrkräfte – richtig und wichtig. Doch bereits im Vorfeld kritisierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Taschenspielertricks, laut NDR, wie folgt: „Allerdings gebe es beispielsweise 250 der geforderten 1.000 Stellen bereits. Sie seien nur nicht besetzt und müssten durch andere Lehrkräfte aufgefangen werden.“ (…) „Darüber hinaus müssten weitere 270 hinzukommen, solange die Schülerzahlen steigen. Schließlich seien diese Grundlage der Stellenberechnung. Außerdem gibt es schon weitere 280 Stellen im Schuldienst als befristete Anstellungen. Werden diese entfristet, gebe es laut der GEW kaum Gewinne. Als echtes Plus blieben nur 50 Lehrerstellen als Vertretungsbudget und 150 neue Stellen für die Berufsschulen im Land.“
Wir Kommunistinnen und Kommunisten wollen nicht auf eine „sozialere“ Regierung hoffen, sondern rufen alle Menschen Mecklenburg-Vorpommerns dazu auf, selbst aktiv zu werden. Ein Anlass, um auf die Straße zu gehen, kann der – künftig arbeitsfreie – Internationale Frauentag, der 8. März, sein. Dort kann man die schlechtere Bezahlung von Frauen, den zu hohen Betreuungsschlüssel in den Kitas und Krippen im Land anprangern sowie den Umstand, dass von Frauen geleistete Pflege- und Sorgearbeit oftmals vorausgesetzt und wenig honoriert wird.