Bisher habe die SPD-Parteispitze „links“ gestanden, schreckte Redakteur Konrad Schuller die Leser der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) auf. Der Sensation ließ er aber Beruhigendes folgen: Werde Lars Klingbeil neben Saskia Esken Parteichef, verändere „das die Balance der Parteispitze“.
Die „Ausgewogenheit“, die der deutschen Bürgerpresse und ihren Lesern heilig ist, besonders wenn die kapitalistischen Tatsachen es nicht sind, ist also mit der Nominierung des SPD-Generalsekretärs durch das Parteipräsidium wiederhergestellt. Parallel zu „Wetten dass …?“ gibt es eine Beinahe-Wiederauferstehung der BRD-SPD mit „links“ und „rechts“ im Gleichmaß. Das war laut Schuller zwei Jahre lang nicht so. Dabei haben sich Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans streng an die Vorgaben ihres Vizes Kevin – „BMW vergesellschaften“ – Kühnert gehalten und kassierten als erstes seinen und ihren Slogan „Raus aus der ‚großen‘ Koalition“. Der 32-Jährige ordnete, wie einer sechsteiligen NDR-Dokumentation zu entnehmen war, sogar Mimik, Gestik und Bekleidung an. Scholz zum Fast-Regierungschef zu machen war eine kleine Übung.
Klingbeil nannte schon 2020 Kühnert „das größte politische Talent in der SPD seit Gerhard Schröder“, was ein Lob sein sollte. Kühnert und Klingbeil verbindet mittlerweile „echte Freundschaft“. Kleiner Wermutstropfen: Kühnerts Aufgabe im Wahlkampf war laut Generalsekretär, „die jungen Menschen in diesem Land anzusprechen“. Die liefen leider zu Grünen und zur FDP. Da muss der Hoffnungsträger nacharbeiten. Den beiden marktradikalen Parteien die Jungwähler wieder abspenstig zu machen – das könnte der Inhalt des „sozialdemokratischen Jahrzehnts“ sein, das Klingbeil am Montag ausrief.
Machbar ist es. Die Lindner-FDP und die ähnlich realitätsfernen Grünen wollen Antisoziales durchsetzen. Es wird Klingbeil/Kühnert nicht schwerfallen, alle SPD-Hände in Unschuld zu waschen. Bleibt nur Schullers „Links“-Verdacht, den er an Schröders, Klingbeils und Eskens Neigung zum „Russen“ festmacht. Da ist der „FAS“-Mann repräsentativ: An Krieg und Frieden scheiden sich im deutschen Kapital mal wieder die Geister.