Rudi Hechler führt uns auf YouTube auf eine Zeitreise durch Mörfelden

Spaziergang auf Bildern

Der Filmemacher Kai Hoffmann hat den Kommunisten und Kommunalpolitiker Rudi Hechler porträtiert. Rudi Hechler, der mit 13 im zerbombten Frankfurt am Main in die Lehre als Schriftsetzer ging, weil ein Lehrer im Nachkriegsdeutschland sein Talent zum Schreiben entdeckt hatte.

Rudi Hechler, geboren 1934, nimmt uns in dem knapp dreißigminütigen YouTube-Video mit auf eine Zeitreise. Er zeigt uns Fotografien von der Kindheit im Maurerdorf Mörfelden, als die Männer zu Fuß nach Frankfurt gingen, um den Hauptbahnhof zu bauen, und die Frauen, die harte Arbeit im Dorf zu leisten hatten. Es macht ihm „einen Riesenspaß, auf den Bildern spazieren zu gehen“, die Einzelheiten anzusehen, Kleinigkeiten im Hintergrund zu entdecken. Er erinnert sich an das Spielen im Nachbarhof, das Helfen bei der Ernte, das Tollen im Heu. Daran, dass er achtjährig die Hasen oder die kleinen Zicklein schlachtete – das kann er Enkeln oder erst recht Urenkeln heute gar nicht erzählen, wo das Kätzlein das Ein und Alles ist. „Die Katze war früher nur zum Mäusefangen da“ und der Hund zum Anschlagen in der Nacht, lacht der 88-Jährige.

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Rudi Hechler am 1. Mai 2009 (Foto: privat)

Trotz schöner Erinnerungen, so Hechler, war das keine Zeit, die man romantisieren kann: „Wir gehörten zu denen, die zur Zeit des Faschismus unterdrückt wurden.“ Der Vater zeitweise im KZ Osthofen, die Familie unter Beobachtung. Er erinnert sich an seine Lehrerin – „eine stramme braune Frau“, die mit den Schülern – „Wir waren kleine Kinder“ – Nazilieder sang. Er erinnert sich an die Zeit in Jungvolk und Hitlerjugend – „den ganzen Kram mussten wir mitmachen“ –, und auch an das Feuer der brennenden Scheune eines Juden in der Reichspogromnacht – „das habe ich noch voll im Kopf“. Er zeigt uns Bilder von Naziaufmärschen durch das Dorf mit der roten Fahne, „die auf einmal einen großen Haken hatte“. Dann die bedrückte Stimmung zu Kriegsende, die Frau, die in der Straße von Haus zu Haus ging und die Nachricht von Gefallenen brachte, die Schreie der Mütter und Frauen.

Und nach dem Krieg? „Wir kannten nicht viel, wir kannten keine Sprachen“, keine Dichter, erinnert sich Hechler. Besonders braune Lehrer mussten gehen, neue kamen: „Da erzählte mir das erste Mal ein Lehrer von Heinrich Heine.“ Bei den Schriftsetzern in Frankfurt am Main war der Jugendliche – mit 13 angefangen, mit 16 ausgelernt – gut aufgehoben. „Da waren viele fortschrittliche Leute.“ Viel gelernt habe er dann als Jugendsprecher und später als Betriebsrat über das Leben der einfachen Menschen.

Die Lehre „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ zieht sich als roter Faden durch das kleine Werk. Der Film endet auf einer Kundgebung zum Jahrestag der Reichspogromnacht 2022 in Mörfelden-Walldorf – und mit Zukunftsaussichten, die trotz alledem nicht düster sind. Rudi Hechler ist immer noch davon überzeugt, dass es eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus geben wird: „Eine neue Gesellschaft wird eine Gesellschaft sein, in der die Worte Solidarität, Verständnis, Zusammenarbeit und Liebe wieder mehr Bedeutung kriegen.“ Rudi Hechler steht für diese Gesellschaft – unermüdlich. Gerade hat er ein neues Buch herausgegeben. Wen wundert es? Es ist ein großes Friedensbuch – „zum Durchblättern, Nachdenken, Handeln“. Es wird gerade in kleiner Auflage gedruckt und wird in Kürze auch unter www.dkp-mw.de abrufbar sein.

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"Spaziergang auf Bildern", UZ vom 16. Dezember 2022



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