Zur Diskussion um die Schuldenbremse

Sparen? Umverteilen!

Glaubt man den Schlagzeilen, steht Finanzminister Christian Lindner mit seinen Positionen in der Fiskalpolitik ziemlich allein da. Die Forderung nach einer Aussetzung der Schuldenbremse und der Ruf nach Zukunftsinvestitionen scheint längst über die Gewerkschaften hinauszugehen. Erst kürzlich hatte sich das Institut der Deutschen Wirtschaft gemeinsam mit dem gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) für eine staatliche Investitionsoffensive in Höhe von 600 Milliarden Euro stark gemacht. Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sprach sich für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Wenn auch mit einer völlig anderen Intention als das IMK. Ziel des IfW ist es, nicht den Investitionsstau in den Kommunen aufzulösen oder in Gesundheit, Bildung und Soziales zu investieren, sondern die Militärausgaben zu erhöhen.

Tatsächlich stecken die Vertreter des Neoliberalismus in einer Zwickmühle. Die Schuldenbremse hat sich als Totschlagargument bewährt, um den seit Jahren betriebenen Sozialabbau als alternativlos erscheinen zu lassen. Anderseits sind die kaputtgesparte Infrastruktur und fehlende öffentliche Investitionen ein eklatanter Standortnachteil der deutschen Wirtschaft gegenüber der Konkurrenz aus Übersee. Auch der angestrebte ungehinderte Zugriff auf die Märkte und Rohstoffe weltweit ist ohne hochgerüstetes Militär nicht durchsetzbar.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat nun die Lösung parat: Er fordert ein milliardenschweres Sondervermögen – unter Beibehaltung der Schuldenbremse. Von bis zu 400 Milliarden Euro, verteilt über zehn Jahre, ist die Rede. Dieser Ruf nach staatlichen Investitionen ist keineswegs mit dem Ende der Verarmungs- und Umverteilungspolitik gleichzusetzen. Ganz im Gegenteil: Es geht dem BDI um Priorisierung. Die Finanzierung und Bereitstellung von Infrastruktur zur Flankierung der Transformationsprozesse stehen dabei ganz oben auf der Wunschliste. Beim Sozialetat hingegen kann gerne gespart werden.

Dies zeigt, wie nah die Forderungen des BDI und die Positionen des Finanzministers tatsächlich beieinander liegen. In dem Ziel „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ auf Kosten der arbeitenden Menschen ist man sich einig. Nur über Detailfragen bei der Umsetzung wird noch gestritten.

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"Sparen? Umverteilen!", UZ vom 21. Juni 2024



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