IU: Gesellschaftsverändernde Kraft ist größer als das Wahlergebnis

Spaniens Regierungsbildung wird kompliziert

Von Günter Pohl

Zweieinhalb Wochen nach den Wahlen des 20. Dezember steht Spanien vor einer schwierigen Regierungsbildung. Der bisherige Regierungschef Mariano Rajoy von der konservativen Volkspartei (PP) plädierte am Jahresende für eine Unterstützung seiner Partei durch die sozialdemokratische PSOE (Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) und die neu im Parlament vertretene Partei „Ciudadanos“ (Bürger).

„Die ‚Unidad Popular‘ wurde gebildet,

nachdem Podemos den Linken

die kalte Schulter gezeigt hatte.“

Wie diese Unterstützung aussehen soll – ob als Koalition oder als Duldung einer PP-Minderheitsregierung – ist unklar; ebenso, ob sich die beiden Wunschpartner darauf einlassen werden. Klar sind nur die Gründe von Rajoy: „Wir stimmen in Vielem überein: Einheit Spaniens, Gleichheit der Spanier, Souveränität und Außenpolitik.“ Die Alternative dazu, „eine Regierung aus PSOE, Podemos, ERC (Katalanische Linke) und all den anderen ist nicht gut für Spanien und respektiert nicht den Mehrheitswillen“, so Rajoy. Auch möglich sind Neuwahlen, zu denen es kommt, wenn zwei Monate nach Parlamentseröffnung keine Mehrheit gefunden ist.

Viele bürgerliche Kommentare zeichnen das falsche Bild eines Zweiparteiensystems, in das erstmals weitere landesweite Kräfte eingezogen seien. Zwar sind seit 1978 ansonsten zumeist nur Regionalparteien im Parlament gewesen, aber die spanienweit antretende „Izquierda Unida“ (Vereinte Linke) war seit ihrer Gründung immer wieder mit Abgeordneten vertreten. Im Unterschied zu deren parlamentarischer Arbeit wird die der beiden neuen Fraktionen das bestehende System aber nicht in Frage stellen, sondern de facto stabilisieren, denn für einige Zeit wird der Effekt des Neuen, dem man eine Chance geben will, beherrschend sein, bevor klar wird, dass sich nichts ändert – außer die Kontostände anderer Abgeordneter.

Im Grunde zeigt sich bei einer Wahlbeteiligung von immerhin fast 74 Prozent ein Bild von lauter Wahlverlierern: Die beiden großen Parteien PSOE (mit dem historischen Tiefpunkt von 22,0 Prozent) und PP vertreten nur noch gut die Hälfte der Wählerschaft – Podemos (die aus einem Teil der Bewegungen um die „Empörten“ und die so genannten „Würdemärsche“ entstandene Partei, deren Namen im Deutschen „Wir können es“ bedeutet) und Ciudadanos blieben deutlich hinter den hohen Erwartungen zurück.

Dass Rajoy nicht auch das sich links gebende Podemos unter die Koalitionsfähigen einreiht, lässt sich verstehen, wenn man sich analog an die ursprüngliche Skepsis der CDU gegenüber den Grünen erinnert – und analog wird sie sich schon bald zerstreut haben. Schon jetzt hat der Handelskammerpräsident erklärt, dass es keinen Grund zur Furcht gebe. Denn Podemos hat in Windeseile seine Haltungen in zentralen Fragen geändert, die die wichtigsten Forderungen der vielen Hunderttausende waren, die um 2011 auf dem Höhepunkt der immer noch anhaltenden und lange nicht überwundenen Krise unentwegt demonstrierten und dabei zwei Möglichkeiten hatten: gegen die beiden traditionell herrschenden Parteien PP und PSOE sich wenigstens radikal zu geben und links zu wählen oder auf „neue Kräfte“ zu orientieren. Und für Letzteres war Podemos ideal. Die Grundrente, die Ablehnung des Euro, die angebliche Verstaatlichung der Energiekonzerne, der Telekommunikation oder der Banken oder auch die Nichtanerkennung der Schulden – all das ist längst kein Thema mehr.

Die linken Alternativen zu Podemos, die aus Sicht der Herrschenden keinesfalls zulegen durften, waren PCPE und Vereinte Linke (IU). Während die PCPE auf niedrigem Niveau stagniert (siehe UZ vom 25.12.) ist die „Vereinte Linke“, die zu den Wahlen als „Unidad Popular“ (Volkseinheit) je nach Region in unterschiedlichen Konstellationen antrat, ein anderer Wahlverlierer. Nur noch zwei Abgeordnete, beide für die Region Madrid, vertreten das Bündnis, deren wesentlicher Part die KP Spaniens (PCE) ist. Dabei ist das die Regionalparteien bevorzugende Wahlrecht im spanischen Staat für IU verhängnisvoll, kommen doch einzelne Gruppierungen, die beispielsweise nur in Katalonien oder dem Baskenland antreten, mit weniger Stimmen auf erheblich mehr Abgeordnete.

„Die Wähler haben die Linke

für ihre Zerstreuung bestraft.“

Dennoch bleibt unabhängig davon der Verlust von 800 000 Stimmen bei nur noch 3,7 Prozent. In einer Erklärung analysiert Izquierda Unida am 22. Dezember die verbliebene Million an Wähler/innen für die „Volkseinheit“ als „Basis für wirkliche Veränderungen“. Korrekt sagt IU, dass Wahlen die wirkliche Kraft zu Veränderungen der Gesellschaft nicht widerspiegeln, so wie sie in den diversen Demons­trationen und Streiks der letzten Jahre gewachsen war. Zu dem bescheidenen Ergebnis habe auch die kurze Mobilisierung beigetragen, wurde die Volkseinheit doch erst wenige Monate zuvor aus der Taufe gehoben, nachdem Podemos den Linken die kalte Schulter gezeigt hatte.

Jedoch habe die Zerstreuung der Linken eine Bestrafung durch die Wahlberechtigten erfahren. Ohne Podemos an irgendeiner Stelle zu nennen, stellt IU fest, dass „der Wunsch nach Veränderung durch Mächte verdreht wurde, die Parteien zu schaffen versucht haben, die identisch mit den verbrauchten sind“. Dazu hätten aber ebenso die Fehler der Linken gehört.

Die Vereinte Linke, die als erste Pflicht ansieht die Mobilisierung zum Kern ihrer Politik zu machen, kann sich die Unterstützung einer Regierung vorstellen, die diejenige der PP ablöst. Allerdings dürfe darin weder PP noch Ciudadanos vertreten sein.

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"Spaniens Regierungsbildung wird kompliziert", UZ vom 8. Januar 2016



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