Linke ringen um Einheit, Rechte kommen in Umfragen auf Parlamentsmehrheit

Spanien vor Neuwahlen

Von Carmela Negrete

Es war das erste Mal, dass ein spanischer Ministerpräsident der Spanier im französischen Exil gedacht hat. Am vergangenen Sonntag erinnerte Pedro Sánchez von der sozialdemokratische PSOE bei Argelès-sur-Mer, im Süden des Nachbarlands, an den Präsidenten der Spanischen Republik Manuel Azaña, der im Exil starb. Paradoxerweise wurde Sánchez dabei von etwa 200 katalanischen Aktivisten als „Faschist“ beschimpft. Sie protestierten gegen den Prozess vor dem Obersten Gericht Spaniens, der derzeit gegen führende Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung geführt wird und bei dem von der Staatsanwaltschaft lange Haftstrafen gefordert werden. Ihnen wird Rebellion, Aufruhr, Veruntreuung von Geldern sowie die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen, weil sie am 1. Oktober 2017 ein vom Verfassungsgericht verbotenes Referendum in Katalonien durchgeführt und am 27. Oktober die Katalanische Republik ausgerufen hatten.

Sánchez steht noch immer einer Regierung vor, die die kürzeste seit Francos Tod werden wird. Bei der Abstimmung über den Haushalt am 13. Fe­bruar versagten ihm die katalanischen Parteien die Unterstützung, die ihn noch im Sommer 2018 mit ihren Stimmen ins Amt gewählt hatten. Die Weigerung, für den Haushalt zu votieren, verstanden sie als Protest gegen den von ihnen so bezeichneten Ausnahmezustand gegenüber den politischen Gefangenen. Am 21. Februar rief zudem die Gewerkschaft CSC zu einem Generalstreik in Katalonien auf. Vor allem an den Universitäten gab es eine rege Beteiligung am Ausstand, in Barcelona demonstrierten nach Angaben der Organisatoren rund 200000 Menschen.

Dass der Haushalt durchfiel und seine Ablehnung durch die katalanischen Parteien als Druckmittel genutzt wurde, ist für viele ein kaum zu vermittelnder Vorgang. Denn dieser Etatentwurf besaß ein unverkennbar linkes Profil. Dafür hatte die Wahlkoalition Unidos Podemos gesorgt, die mit den Sozialdemokraten in Verhandlungen getreten war. Alberto Garzón, Chef der Vereinten Linken (IU), in der die Kommunistische Partei die stärkste Kraft ist, bedauerte die Entscheidung der katalanischen Abgeordneten. Das wäre ein „guter erster Schritt, die 2010 beschlossenen Reformen und Kürzungen zurückzunehmen und eine verlorene Dekade zu korrigieren“, hatte Garzón den Haushaltsentwurf noch vor der Abstimmung verteidigt. Darin war eine Erhöhung der Renten und des Pflegegelds vorgesehen. Auch die Zuzahlung bei Medikamenten wurde gestrichen. Eine Steuer für große Firmen sowie für Spitzenverdiener ab einem Jahreseinkommen von 130000 Euro war ebenfalls geplant. All das wird es nun nicht geben.

Aufgrund der Abstimmungsniederlage rief Pedro Sánchez Neuwahlen aus und setzte sie auf den 28. April an. Der PSOE könnte bei dieser Wahl laut Umfragen stärkste Kraft werden. Die zu erwartenden Gewinne werden aber auf Kosten von Unidos Podemos gehen, vorausgesetzt, Podemos und die Vereinigte Linke treten überhaupt auf einer gemeinsamen Liste an. Es wird erwartet, dass dies geschieht, aber offiziell müssen die jeweiligen Mitglieder beider Parteien darüber entscheiden. Eine Befragung im Auftrag der katalanischen Tageszeitung „El Periódico“ sieht den PSOE bei 115 Abgeordneten gegenüber aktuell 85, Unidos Podemos allerdings bei lediglich 36 Sitzen gegenüber den 71, die das Bündnis 2016 erreichte. Die meisten Umfragen prognostizieren ähnliche Ergebnisse.

Die rechten Parteien könnten bei dieser Wahl eine Mehrheit erreichen. Die Rechtextremisten von Vox werden voraussichtlich mit rund 13 Prozent der Stimmen und 45 Abgeordneten zum ersten Mal ins Parlament einziehen und es wird das erwartet, was in der Region Andalusien passiert ist: eine rechte Regierung dieser neofaschistische Partei zusammen mit den Postfranquisten vom PP und den Neoliberalen von Ciu­dadanos. Bei Umfragen kommen sie gemeinsam auf mehr als 50 Prozent der Stimmen. Um das zu verhindern, wäre es nötig, nicht nur eine Einigung zwischen dem PSOE und Unidos Podemos zu erlangen, sondern auch mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) und den Liberalen von der Katalanischen Europäischen Demokratischen Partei (PDEcat). Doch dafür müsste sich auf nationaler Ebene ziemlich viel ändern.

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"Spanien vor Neuwahlen", UZ vom 1. März 2019



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