Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer ärmer. Diese Aussage wird von den Profiteuren unseres Wirtschaftsmodells gerne als „Neiddebatte“ diffamiert oder als „kommunistische Propaganda“ abgetan. Die Sozialforschung hat hierzu eine andere Meinung: Die BRD zeichnet sich, wie alle kapitalistischen Gesellschaften, durch eine extrem ungleiche Verteilung von Vermögen aus.
Aktuelle Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben sogar belegt, dass die ungleiche Verteilung der Vermögen in der größten Volkswirtschaft der EU sogar noch stärker ausgeprägt ist als bisher angenommen. Demnach verfügen die 10 Prozent der reichsten Personen über 67,3 Prozent des gesamten Nettovermögens. Auf der anderen Seite besitzt die Hälfte der Bevölkerung gerade einmal 1,3 Prozent des Vermögens. Das reichste Prozent verfügt über mehr als ein Drittel. Bisher nahm man an, dass diese Gruppe „lediglich“ etwas mehr als ein Fünftel ihr eigen nennen darf.
Nicht nur die Vermögen, auch die Einkommen sind sehr ungleich verteilt. Während Top-Manager und Spitzenverdiener sich von Jahr zu Jahr ein größeres Stück des Kuchens abschneiden, nimmt die Erwerbsarmut in der BRD kontinuierlich zu. Die Folge ist, dass bei immer mehr Familien das Geld nicht bis zum Monatsende reicht. Dieser Trend wird durch die aktuelle Krise noch verstärkt. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die Armutsgefahr hierzulande so hoch ist wie nie zuvor. So lebten im Jahr 2019 15,9 Prozent der Menschen in der BRD in Armut oder sind von Armut bedroht. Das ist der höchste Wert seit Erfassung der Zahlen im Jahr 2005.
Dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer mehr zunimmt, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat Methode. Unter dem Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“ wurde der Niedriglohnsektor jahrzehntelang systematisch ausgedehnt. Während prekäre Beschäftigungsverhältnisse zunehmen, nimmt die Anzahl tarifgebundener Normalarbeitsverhältnisse immer mehr ab.
Parallel zu dieser Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wurden die Reichen und Superreichen mit zahlreichen Steuergeschenken bedacht. Eigentlich wäre hier ein steuerpolitischer Kurswechsel dringend angebracht. Eine Wiedererhebung der Vermögensteuer, eine effektive Erbschaftsteuer sowie eine höhere Besteuerung von Spitzeneinkommen und eine entsprechende Entlastung der mittleren und kleineren Einkommen wären hier Schritte in die richtige Richtung.
Leider steht genau das Gegenteil auf der Agenda der Bundesregierung. Die für Anfang 2021 beschlossene Teilabschaffung des „Solidaritätszuschlags“ wird wieder vor allem Gutverdiener entlasten. Diese Form „staatlich geförderter Reichtumspflege“ geht der FDP noch nicht weit genug. So haben deren Bundestagsabgeordnete Verfassungsbeschwerde eingelegt, um die völlige Abschaffung des Soli durchzusetzen. Dies wäre dann ein weiteres Milliardengeschenk an das reichste Zehntel der Gesellschaft. Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, ist also kein Zufall – und der Widerstand dagegen auch nicht.