„Meine Erkenntnis aus der Pandemie ist, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen und Verbesserungen erkämpfen müssen – das macht niemand für uns.“ So kommentierte Dana Lützkendorf, Intensivpflegerin an der Berliner Charité, die neuesten Pläne des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Am Montag fand im Gesundheitsausschuss des Bundestags eine Anhörung zu einem neuen Gesetzentwurf aus seinem Hause statt.
Spahn behauptet, sein „Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ werde die Qualität der Grundversorgung steigern. Das soll vor allem durch genaue Vorgaben, wie oft ein Krankenhaus eine bestimmte Behandlung durchführen muss, passieren. Solche Mindestmengen sollen sicherstellen, dass die jeweilige Klinik ausreichend Erfahrung bei komplizierten Eingriffen hat. Gleichzeitig können sie dazu führen, dass kleinere Kliniken, die nicht auf die Zahlen kommen, nicht genug Geld einnehmen und schließen müssen. Außerdem soll das Gesetz zu mehr Transparenz führen – unter anderem durch die Veröffentlichung von „Pflegepersonalquotienten“.
In der Bundestagsdebatte zum Gesetzentwurf hatte der Gesundheitspolitiker der Linkspartei Harald Weinberg im Februar festgestellt, das klinge gut – „es bringt Licht ins Dunkel und kann den bestehenden krassen Pflegenotstand in den Krankenhäusern offenbaren“. Allerdings ändere das Gesetz nichts an diesem Notstand. Weinberg nannte das Gesetz „Spahns Resterampe“. Es bestehe aus vielen einzelnen Regelungen, die zum Teil schon im Koalitionsvertrag vereinbart seien.
In der Anhörung am Montag forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), festzulegen, dass so viele Pflegekräfte eingesetzt werden, wie tatsächlich zur Versorgung nötig sind. Das sei möglich, wenn die Regierung die von DGK, Deutschem Pflegerat und ver.di entwickelte Pflegepersonal-Regelung (PPR) 2.0 einführe.
Genau das forderten während der Anhörung bundesweit Klinikbeschäftigte, die in und vor Krankenhäusern Fotos machten, auf denen sie die PPR 2.0 als Grundlage für die Personalbemessung forderten. Diese baut auf der ursprünglichen PPR von 1992 auf. Später hatte die Bundesregierung jedoch die Ermittlung des Personalbedarfs nach einem solchen Schlüssel abgeschafft und durch die Abrechnung nach Fallpauschalen ersetzt. Mit der PPR 2.0 kann nach pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen berechnet werden, wie viele Pflegekräfte für die Betreuung der Patienten gebraucht werden. Die Berechnung selbst ist relativ unkompliziert, das Instrument könne ohne großen Aufwand verbindlich eingeführt werden, schätzt ver.di ein.
Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig, stellte fest: „Seit Jahren weisen die Kolleginnen und Kollegen immer wieder darauf hin, dass sie überlastet sind und die Versorgungsqualität leidet.“ Um daran etwas zu ändern, stehe die gesetzliche Einführung der PPR 2.0 „ganz vorne“. Dass die Regierung hier blockiert, könnte den Personalmangel in der Pflege weiter verschärfen. Weitere Beschäftigte könnten ihren Beruf verlassen, weil sie die Arbeitsbedingungen nicht länger ertragen. „Erst letzte Woche haben mir zwei Kolleginnen gesagt, dass sie ihren Beruf aufgeben, wenn sich nicht bald etwas ändert“, berichtet Veith Stahlheber, Fachkrankenpfleger der Mainzer Universitätsmedizin. Seine Schlussfolgerung: „Wir solidarisieren uns untereinander und handeln.“