Mehr Tests und Prämien sind die Geschenke des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn für die viel beklatschten Helden der Corona-Pandemie. Sie sind verlogen. „Der neue Alltag erfordert eine neue Balance. So viel Normalität wie möglich, so viel Schutz wie nötig“ hatte Spahn die Maßnahmen im „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, das am vergangenen Wochenende beschlossen wurde, begründet. Das Regelwerk wird dem nur gerecht, wenn man mitdenkt, dass die Normalität im Kapitalismus gemeint ist.
Die Ausweitung der Corona-Tests erfolgt eher sechs als vier Wochen zu spät und legt immer noch keine verbindlichen Reihentestungen von medizinischem und Pflegepersonal fest. Zudem regelt das Gesetz, dass die Testungen von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden müssen. Das ist nur konsequent, denn nahezu alle Maßnahmen der Corona-Bewältigung werden den Beitragszahlern aufgebürdet. Die Beantwortung der Frage, wer für diese Krise zahlt, wird schon in der Krise gegeben. Praktisch für das Kapital, dass die leeren Kassen in den nächsten Jahren über Zusatzbeiträge der Versicherten wieder aufgefüllt werden.
Die Berichte aus den Pflegeheimen und Krankenhäusern lassen befürchten, dass von der Möglichkeit der Reihentestungen wenig Gebrauch gemacht werden wird. Zu groß ist die Gefahr, dass größere Teile des Personals infiziert sind und in Quarantäne müssten. Dabei soll doch in den Krankenhäusern jetzt wieder operiert werden, was das Zeug hält. Die Landesregierungen hätten die Möglichkeit, Krankenhäuser anzuweisen, wie viele (Intensiv-)Betten für potentiell steigende Patientenzahlen freizuhalten sind. Die meisten übergeben die Verantwortung aber an die Krankenhausträger und empfehlen nur ein gewisses Maß an Intensivbetten freizuhalten, in NRW zum Beispiel 10 Prozent. Will man sich der öffentlichen Meinung wegen als privater Konzern zumindest halbwegs an diese Empfehlungen halten, kann man nicht auch noch Personalausfall durch Reihentestungen gebrauchen.
Konsequent aus Sicht des Kapitals ist auch die im Gesetz beschlossene Prämie für die Altenpflegebeschäftigten. Die ursprüngliche Tarifinitiative von ver.di wurde kurzerhand vom Staat übernommen, in Seniorenzentren bekommt jede Pflegekraft 1.000 Euro vom Bund und zusätzlich können die Länder zusammen mit den Arbeitgebern nochmal 500 Euro drauflegen. Andere Berufsgruppen in den Altenpflegeeinrichtungen erhalten gestaffelt weniger, die niedrigste Summe für Beschäftigte ohne Bewohnerkontakt sind 500 Euro insgesamt, wenn die Länder ihr Drittel dazuzahlen.
Diese Corona-Prämie macht sich gut in der öffentlichen Argumentation der Bundesregierung, dementsprechend hervorgehoben wird dieses Zeichen der vermeintlichen Wertschätzung. Umgekehrt sichert die Art der Einmalzahlung, dass sich nichts grundsätzlich an den niedrigen Einkommen in der Altenpflegebranche ändert. Durch die nach Tätigkeit differenzierte und ausschließlich in der Altenpflege gezahlte Prämie wird erneut ein Spaltpilz in die Berufe getragen, die sich gerade unter der Überschrift „systemrelevant“ überbetrieblich ihrer Rolle bewusst werden könnten.
Von Seiten der politisch Verantwortlichen wird die Verantwortung für die angeblich gewollte langfristige Verbesserung der Bezahlung in diesen Berufen dann den Tarifvertragsparteien für die Zeit nach der Krise auferlegt. Dabei wird verschwiegen, dass die gleichen, die jetzt diese Anforderung formulieren, mit der Argumentation der wirtschaftlichen Rezession dann von den Gewerkschaften Augenmaß und Zurückhaltung fordern werden. Oder gleich die Finanzierung so verändern, dass keine guten Tarifabschlüsse refinanzierbar sind. Systemrelevant ist für Spahn und Co halt nur in der Krise. Und nur, wenn sich grundsätzlich nichts ändert.