Anhörung zur Reform der Hartz-IV-Gesetze im Bundestag

Sozialverbände positionieren sich

Von Bernd Müller

Am 30. Mai fand im Bundestag eine Anhörung zur Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze statt. Zuvor hatten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege eine Stellungnahme veröffentlicht.

Was unter dem Begriff Rechtsvereinfachung gerade diskutiert wird, birgt für Hartz-IV-Empfänger erhebliche Nachteile. So schreiben die Verbände in ihrer Erklärung, dass die Anforderungen an Leistungsberechtigte und Antragsteller immer weiter steigen und gleichzeitig gingen „die Anforderungen an die Verwaltung zur Umsetzung von zugunsten von Leistungsberechtigten ergangenen Urteilen deutlich zurück“. Bei dieser ungleichen Verteilung von Anforderungen drohe das im Grundsatz nachvollziehbare Anliegen der Verwaltungsvereinfachung auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit zu gehen.

Scharf kritisiert wird, dass die Sanktionspraxis nicht verändert wird. Vorschläge dafür waren unter anderem vom Bundesrat eingebracht worden. Verbände, ja selbst die Bundesagentur für Arbeit hatten vorgeschlagen, die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige abzuschaffen, die Sanktionshöhe auf maximal 30 Prozent des Regelbedarfs zu begrenzen und auf die Sanktionen bei den Kosten der Unterkunft zu verzichten. Gleichzeitig sei es notwendig, so die Verbände, die „arbeitsmarktpolitischen Instrumente zu reformieren“. Insbesondere Langzeitarbeitslose müssten besser gefördert werden, wofür aber Veränderungen unter anderem bei den Arbeitsgelegenheiten und bei der Förderung von Arbeitsverhältnissen nötig seien.

In einigen Fällen soll die Sanktionspraxis sogar noch ausgeweitet werden. Langzeitarbeitslose sollen, wenn sie 63 Jahre alt geworden sind, vom Jobcenter leichter in die Rente geschickt werden, und dabei spielt keine Rolle, dass sie deutliche Abschläge hinnehmen müssen. Jedes Jahr traf das bisher Tausende, die von den Jobcentern aufgefordert wurden, Rentenanträge zu stellen. Wenn sie nicht wollten, stellten die Jobcenter einfach die Anträge.

Darüber hinaus drohen Leistungskürzungen, wenn Hartz-IV-Empfänger in den Augen der Jobcenter-Mitarbeiter nicht ausreichend mitwirken. Das soll bereits dann geschehen, wenn nicht die kompletten Unterlagen für die vorzeitige Verrentung vorgelegt werden.

Auch bei Kindern, deren Eltern getrennt leben, sind Einsparungen geplant. Ist ein Elternteil auf Grundsicherung angewiesen, sollen künftig für den Leistungsbezug des Kindes nur Tage gelten, an denen es sich auch bei ihm aufhält. „Als müsste die Mutter für das Kinderzimmer nur tageweise Miete zahlen“, kommentierte „Die Rheinpfalz“ den Plan von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), „als bekäme sie Spielzeug fürs halbe Geld, weil es nur die halbe Zeit genutzt wird“. Die Sozialverbände heben dies in ihrer Stellungnahme ebenfalls hervor. Diese Regelung führe dazu, „dass das Existenzminimum des Kindes in dem Haushalt, in dem es sich hauptsächlich aufhält, nicht gesichert wird“, da sich der Bedarf des Kindes dort kaum verringere, „nur weil sich das Kind auch tageweise in einem anderen Haushalt aufhält“. Besonders Alleinerziehende und ihre Kinder würden schlechter gestellt.

Eine andere Änderung zulasten von Hartz-IV-Empfängern behandelte kürzlich das TV-Magazin „Report Mainz“. Stellte das Jobcenter falsche Bescheide aus, konnten Hartz-IV-Empfänger bisher einen Überprüfungsantrag stellen, um auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist von einem Monat eine Richtigstellung des Antrags zu bewirken. In vielen Fällen geht es dabei um viel Geld, das den Leistungsempfängern vorenthalten wurde und nur auf diesem Wege zu bekommen war. Dieses Recht soll nun aber nach den Recherchen des TV-Magazins weitgehend abgeschafft werden.

Für „Die Rheinpfalz“ ist der Fall klar: Hinter Nahles‘ Reformvorhaben stehe keine einfache „behördliche Sparsamkeit“, sondern die SPD kämpfe auf diese Weise um die Gunst der Mittelschicht. Denn hinter dem Reformpaket stehe ein Menschenbild, „das den Bezieher von Sozialleistungen als Schmarotzer abstempelt und nicht als jemanden begreift, der auf Unterstützung angewiesen ist. Als jemanden, der etwas erhält, was er im Grunde nicht verdient“. Weil es den Beifall und die Stimmen derjenigen bringt, die Steuern zahlen, müssten die Daumenschrauben bei denen angezogen werden, die vom Staat alimentiert würden.

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"Sozialverbände positionieren sich", UZ vom 3. Juni 2016



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