Vom 13. bis 17. Mai 2018 tagt in Berlin der 21. Ordentliche Bundeskongress des DGB. Rund 400 Delegierte vertreten knapp 6 Millionen Mitglieder aus acht Einzelgewerkschaften. Sie entscheiden über vier weitere Jahre die Richtung des DGB in Sachen „Wirtschaft- und Sozialpolitik“.
Grundlage sind rund 80 Anträge. Zwar analysiert das Arbeitsmaterial die bundesdeutsche Arbeitswelt und ihre Auswirkungen für die Menschen sehr real. Doch bei der Bewältigung der Missstände setzt der Gewerkschaftsbund auf Lobbyismus und hofft auf die Große Koalition. Richtschnur bei den Zukunftsaufgaben bleibt „eine funktionierende Sozialpartnerschaft mit den Arbeitgebern“. Aus Sicht des Dachverbandes und seiner Mitgliedsgewerkschaften „ist dies eine unverzichtbare Erfolgsbedingung für die Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und für Demokratie in Deutschland und Europa“ (A001).
Schon bei Beginn des Kongresses sorgte dies für Kritik aus der Basis. Gegen die von oben verordnete Harmonie und Klassenversöhnung mit dem Kapital meldeten sich mehrere Delegierte zum ergänzenden Geschäftsbericht zu Wort. So stellte Carsten Bätzeld von der IG Metall die Frage, „… ob wir immer das Richtige tun? Mitglieder kämen bekanntlich nur durch und über konfliktreiche Auseinandersetzungen.“ Detlef Lange von ver.di arbeitet im Einzelhandel und sieht mit den Sonntagsöffnungen den Versuch, die Arbeitszeiten weiter zu flexibilisieren.
Gewählt wurde am Montag erneut ein vierköpfiger Bundesvorstand. Reiner Hoffmann (SPD) wurde zum zweiten Mal als Vorsitzender bestätigt. Allerdings erhielt er die niedrigste Stimmenzahl, lediglich 76,3 Prozent. Gegenüber dem Antritt vor vier Jahren sind das 16,8 Prozent weniger. Das Wahlergebnis zeigt, dass der DGB-Chef dafür abgestraft wurde, weil er in Sachen Große Koalition sich zu weit aus dem Fenster lehnte. Weiter wurden gewählt Elke Hannack (CDU) als Stellvertreterin mit 86,5 Prozent, Annelie Buntenbach (81,2 Prozent) und Stefan Körzell. (83,6 Prozent).
Aus dem Grundsatzreferat des alten und neuen DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann wird klar, dass der DGB keine neuen Konfliktfelder aufmachen wird. Damit liefert er die Linie des DGB bis 2022. Hoffmann sieht als Hauptaufgabe der Gewerkschaften, Verbesserungen für die arbeitenden Menschen in der sozialen Marktwirtschaft zu verwirklichen. „Wir können und werden die großen Umbrüche unserer Arbeitswelt und Gesellschaft demokratisch, sozial gerecht und nachhaltig gestalten. Wir sind ein starker Partner für Wirtschaft und Politik“.
In der anschließenden Aussprache betonte Raja Bernard, dass wir aktuell erleben, wie die Unternehmer das Arbeitszeitgesetz schleifen. „Ich wünsche mir, dass wir mit einem starken Signal nach Hause fahren.“ Die ver.di-Delegierte weiter: „Die Politiker bei der Podiumsdiskussion sollten darauf festgenagelt werden, wie steht ihr dazu?“ Bernard machte den Vorschlag, politische Bündnisse zu schaffen, die für dieses Arbeitszeitgesetz in der jetzigen Form streiten wollen und „wir aus diesem Parlament der Arbeit gehen und sagen: Eine Verschlechterung dieses Gesetzes ist mit uns nicht möglich“.
Am Dienstag (bei Redaktionsschluss) begann die Antragsdebatte. Auf dem Kongress legt der DGB-Bundesvorstand den Leitantrag „Gesellschaftlicher Zusammenhang und Demokratie in Deutschland und Europa“ vor. Die darin überwiegend verbreiteten Visionen veranlassten Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall, darauf hinzuweisen, dass Veränderungen der Arbeitswelt wie bei der Digitalisierung 4.0 immer von Seiten des Kapitals ausgenutzt werden, die neuen Bedingungen für sich zu entscheiden. Das koste Tausende von Arbeitsplätzen. Visionen und Versprechungen helfen da weniger: „Klare Ziele und Stimmen sind gefragt und notwendig.“ Aufgenommen wurde auch ein Initiativantrag, der auf die verstärkte Aufrüstung der Mitgliedsländer der EU aufmerksam macht. „Der Bundeskongress unterstützt den Appell der Friedensbewegung ‚abrüsten statt aufrüsten‘.“ Ein Delegierter regte an, bis Jahresende 100 000 Unterschriften zu sammeln.
Verabschiedet wurde der weitergehende Antrag A002 „Frieden geht anders“. Darin wird die Erhöhung der Rüstungsausgaben in der Bundesrepublik abgelehnt. Marlies Tepe, Vorsitzende der GEW, rief unter starkem Beifall dazu auf, mehr Geld für Bildung auszugeben und nicht für Rüstung. Tepe betonte in diesem Zusammenhang, dass sich die Gesellschaft sehr schnell ändern kann. „Dies merken wir in der Türkei, in Ungarn oder Amerika.“ Auch deshalb sei die Investition in Bildung unerlässlich.
Eine Kehrtwende weg von der Sozialpartnerschaft ist vom Kongress nicht zu erwarten. Obwohl der DGB in mehreren Anträgen immer wieder die mangelnde Einsicht der „Arbeitgeber“ in Sachen Mitbestimmung und beim Betriebsverfassungsgesetz beklagt. Reduziert wird dies auf Appelle. Die Unternehmerverbände sollten endlich mit der Be- und Verhinderung der Arbeit von Betriebs- und Personalräten und mit der gezielten Bekämpfung von Gewerkschaften (Union Busting) aufzuhören.
Ob und wie weit sich der DGB wieder zu einer kämpfenden Interessenvertretung entwickelt, wird davon abhängen, wie die Veränderungen von unten stattfinden. Gebraucht werden Kampagnen. Auf die Tagesordnung gehört deshalb die flächendeckende Rente mit 63 Jahren und eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich.