Schulterschluss von Gewerkschafts- und Friedensbewegung bei großer Demonstration in München

Soziales rauf – Rüstung runter!

„Statt immer mehr Geld in Waffen und Aufrüstung zu stecken, müssen wir in das Wohl der Menschen investieren! Frieden, Klimaschutz und soziale Sicherheit für alle – das ist unser Ziel“, hieß es im Aufruf von ver.di München für die Kundgebung und Demonstration gegen Hochrüstung und Sozialabbau am vergangenen Samstag. Dem Aufruf gefolgt waren über 2.000 Gewerkschaftsaktive aus der Region. Unterstützung kam von der Münchner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem Münchner Friedensbündnis, der IG-Metall-Jugend München und weiteren ver.di-Gliederungen aus Bayern und Baden-Württemberg. Auch die DKP unterstützte, neben zahlreichen weiteren Gruppen, den Protestaufruf.

„Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“ stand auf dem Banner, das die Demonstration vom Odeonsplatz durch das Münchner Uni-Viertel anführte. Die Rednerinnen und Redner von ver.di und GEW bewarben damit zusammen mit dem Münchner Friedensbündnis den gleichnamigen Aufruf, für den die GEW Unterschriften auf der Kundgebung sammelte. Eine Mitgliederversammlung der GEW München hatte beschlossen, den Aufruf zu unterstützen. Auch zahlreiche DKP- und SDAJ-Aktive auf dem Platz sammelten Unterschriften und verteilten hunderte kostenfreie Ausgaben der UZ an die Kolleginnen und Kollegen.

In den Redebeiträgen wurde der Zusammenhang von Hochrüstung und Sozialabbau ganz konkret deutlich. Susi Lutz von der Münchner Abfallwirtschaft und Vertreterin in der Bundestarifkommission TVöD wies auf die finanziellen Löcher im Öffentlichen Dienst hin. Auch Claudia Weber, Geschäftsführerin von ver.di München, bemängelte den Zustand von Infrastruktur am Beispiel einstürzender Brücken und kritisierte die Schuldenbremse. Der GEW-Redner Mark Ellmann geißelte die aus mangelnder Finanzierung resultierende Bildungsmisere und die damit verbundene Chancenungleichheit und Kinderarmut. Moderiert wurde die Kundgebung vom Bayerischen TVöD-Verhandlungsführer und stellvertretenden Landesleiter von ver.di Bayern, Sinan Öztürk.

Auch andere Gewerkschaften waren auf der Kundgebung vertreten. Zwar schloss sich die Delegiertenversammlung der Münchner IG Metall auf Empfehlung ihrer Vertreter aus der Rüstungsproduktion dem Protest nicht an, die IG-Metall-Jugend beteiligte sich trotzdem an dem Protest. Ihr Münchner Jugendsekretär Sinan Cokdergerli prangerte die Politik der Spaltung durch Kürzungen im Sozialbereich an. In seiner Rede sagte er, dass uns Parteien und Politiker wie Friedrich Merz glauben machen wollten, wir arbeitenden Menschen trügen eine Schuld an der wirtschaftlichen Krise, um dann zu fordern, wir sollten mehr und länger arbeiten. Dabei sei es die etablierte Politik, die sich von der anti-sozialen AfD treiben lasse. „Als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter müssen wir besonders jetzt uns dessen klar sein, was unsere Rolle in dieser Gesellschaft sein muss. Wir sind diejenigen, die sich für soziale Gerechtigkeit und Umverteilung von oben und unten einsetzen müssen. Wir müssen aber auch diejenigen sein, die sich trotz jeder Kriegspropaganda für Frieden einsetzen und internationale Solidarität aufleben lassen, so unbequem es auch sein mag, trotz allen Angriffen der Demagogen und Heuchler“, so Cokdergerli weiter.

Die Rede von Walter Listl, der für das Münchner Friedensbündnis das Wort ergriff, stand schließlich symbolisch für den in München vollzogenen Schulterschluss zwischen Gewerkschafts- und Friedensbewegung. Am stärksten war der Applaus, als Listl die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland verurteilte. Diese erhöhe nur die Gefahr einer Eskalation hin zum Weltkrieg und müsse verhindert werden. Moderator Öztürk bedankte sich, dass der Redner den Anwesenden „aus dem Herzen“ gesprochen habe und rief dazu auf, den bei der bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober veröffentlichten Berliner Appell zu unterzeichnen.

Auch der Redner der GEW wandte sich gegen die geplante Stationierung. „Der Schatten eines Atomkriegs liegt über Europa. Deswegen ist unser Bemühen um zivile Konfliktlösungen heute wichtiger denn je. Sie ist unsere friedensbewegte, zivilgesellschaftliche Antwort auf Waffenlieferungen und geplante Raketenstationierungen“, so Ellmann. Unsere Gesellschaft und das Land „werden von reaktionären Kräften zu Krieg und Sozialabbau umerzogen“, so auch Cokdergerli in seiner Rede. In einer eigens aufgenommenen Video-Grußbotschaft sprach sich auch Liedermacher Konstantin Wecker für Frieden aus.

Auch das Recht auf Asyl war zentraler Bestandteil der Kundgebung. Schon im Aufruf hieß es: „Wir wollen Solidarität statt Spaltung. Wir setzen uns für eine inklusive und gerechte Gesellschaft ein, in der niemand zurückgelassen wird – besonders nicht Schutzsuchende und Asylsuchende, die ein Recht auf Sicherheit und ein menschenwürdiges Leben haben.“ Der Redner der GEW stellte den „Bruch mit Grundwerten“ wie „die Abschaffung des Asylrechts durch die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP, getrieben von CDU und CSU, die schon neue ‚Obergrenzen‘ fordern“, in einen Zusammenhang mit dem Aufstieg „der AfD mit ihrem faschistischen Flügel“. Hamado Dipama vom Bayerischen Flüchtlingsrat zeigte die Interessen der großen Monopolkonzerne an der Ausbeutung von Menschen auf, die ihrer Rechte beraubt wurden, und kritisierte das deutsche Abschieberegime.

Dipama stimmte schließlich von der Bühne die Parole „Free, free Palestine“ an, die die Demonstranten dann gemeinsam riefen. Der Bayerische Rundfunk behauptete in seinem Nachrichten-Format „BR24“, dass Palästina-solidarische Gruppen „für Irritationen“ gesorgt hätten. Auch der Münchner ver.di-Vorsitzende Pürzel, der in der Linkspartei aktiv ist, ließ sich in der Presse zitieren, dass Palästina- und Libanon-Fahnen bei ver.di „nicht auf Begeisterung“ stoßen würden. Vor Ort zeigte sich ein anderes Bild. Die meisten Anwesenden trugen sogenannte „Pali-Tücher“ oder Melonen-Abzeichen als Symbol der Solidarität mit den Menschen in Palästina. Auch die ver.di-Rednerin Weber verurteilte in ihrer Eröffnungsrede unter großem Applaus die Kriegsführung Israels. Es brauche einen Waffenstillstand, und „angesichts von 40.000 Toten ist klar: Das was Israel da macht, geht gar nicht!“

Er sei froh, dass zu dieser Kundgebung in Zeiten „von Völkermord und Militarisierung“ so viele Menschen teilnehmen, erklärte Cokdergerli. Listl betonte ebenfalls, dass das Töten aufhören müsse, und Ellmann mahnte die Einhaltung des Völkerrechts an: Die Anerkennung weiterer Siedlungen oder der Beschuss von UN-Friedenstruppen stehe dem entgegen. Die GEW fordere eine Zweistaatenlösung, „nur sie bietet eine Perspektive auf Frieden“. Passend dazu wurde von akkreditierten Personen Spenden für die UNO-Flüchtlingshilfe gesammelt, unter anderem auch für die hunderttausenden Geflüchteten in Gaza, Libanon und der Westbank. Zuletzt sprachen Vertreter der ver.di-Betriebsgruppe bei den Münchner Verkehrsbetrieben und vom Antikapitalistischen Klimatreffen München. Sie appellierten gemeinsam daran, dass sich auch hierzulande die Transportarbeiter ein Vorbild an ihren italienischen Kollegen nehmen sollten. Dort konnten Hafenarbeiter das Verladen von Waffen nach Israel verhindern.

Weitere Redebeiträge von Betriebsgruppen und dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte rundeten den Nachmittag ab, dazwischen streuten SteetOps Music und Tamara Banez musikalischen Beiträgen mit konkretem Bezug zu Friedenspolitik und Gesellschaftskritik bei. Nach über vier Stunden zogen die Gewerkschaftsaktiven wieder ab. Viele verabschiedeten sich mit einem gestärkten und optimistischen „Bis zum nächsten Mal!“ Denn einig waren sich alle Anwesenden, dass dieser Protest ein gelungener Anfang war und weitere, von der Gewerkschaftsbasis mitorganisierte Friedensaktivitäten folgen müssen.

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"Soziales rauf – Rüstung runter!", UZ vom 18. Oktober 2024



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