Soziales ausgeblendet

Herbert Becker zur Populistenstudie von Bertelsmann

Ein beliebtes Spiel bürgerlicher Parteien und ihrer Medien ist der Vorwurf an die jeweils anderen, sie redeten und handelten populistisch. Damit schaffen es die interessierten Kreise, jegliche Diskussion in eine – natürlich – falsche Ecke zu schieben.Die Bertelsmann-Stiftung hat nun eine europaweit erhobene Befragung in einer Studie zum Thema „Populismus“ zusammengefasst.

Als Unterscheidungskriterium für linken oder rechten Populismus ziehen sie die Begriffe Inklusion und Exklusion heran und kommen zur Feststellung, linker Populismus strebe durch Partizipation und Ressourcenumverteilung die Inklusion unterprivilegierter Bevölkerungsschichten an. Rechter Populismus betreibe umgekehrt die Exklusion von Menschen („Sozialstaatsschmarotzer“, Immigranten, Asylbewerber, ethnische Minderheiten) und reserviere politische und soziale Teilhaberechte nur für die eigene Bevölkerung. Mit diesem Instrumentarium basteln sich diverse Studien so ihre Analyse zusammen.

Nicht verwunderlich ist laut der Studie, dass es vor allem Globalisierungsängste sind, die manche dazu treiben, sich  populistischen Parteien zuzuwenden. Die sogenannten „Werte“ spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Je niedriger das Bildungsniveau, je geringer das Einkommen und je älter die Menschen sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Globalisierung als Bedrohung wahrnehmen.

Natürlich findet sich keine Beschreibung, was denn Globalisierung sei. Und es fehlt jede Begründung dafür, warum rechtsextreme Parteien wie die AfD, der Front National, die FPÖ und weitere Parteien in Italien, den Niederlanden und Ungarn nicht als solche bezeichnet werden, sondern schlicht als rechtspopulistisch. Als linkspopulistisch sortiert die Studie dann die Partei Die Linke, Podemos, Movimento 5 Stelle oder Syriza und andere ein. Eigentlich kann man spätestens ab hier eine solche Studie nicht ernsthaft für politische Debatten nutzen.

Auffällig häufig kommt in der Studie das so genannte „Bildungsniveau“ vor. Von den sozialen Verhältnissen und von der ökonomischen Situation der Bürgerinnen und Bürger ist nicht die Rede. Das offensichtliche Bestreben der Bertelsmann-Stiftung ist nicht nur die Posi­tio­nierung als „Denkfabrik“, sondern auch die führende Rolle bei der Privatisierung von Bildung in Schule, Hochschule und Betrieb zu erobern. Dabei schießt die Studie ein wenig über ihr selbstgesetztes Ziel hinaus, denn wenn umfassende Bildung, ein vertieftes Verständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge dazu führt, dass linke Parteien und Bewegungen einen größeren Zulauf bekommen, ist das ja nicht unbedingt systemstabilisierend.

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"Soziales ausgeblendet", UZ vom 4. August 2017



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