In der vergangenen Woche sorgte ein zweitägiger Streik für starke Einschränkungen im belgischen Zugverkehr. In der überwiegend französischsprachigen Region Wallonie verkehrte am frühen Donnerstagmorgen kein Zug. In Flandern im Norden des Landes fuhren hingegen etwa 70 Prozent der Züge. Dies meldete die Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf einen Sprecher des Netzbetreibers Infrabel. Der von Mittwoch bis Donnerstagabend dauernde Streik richtete sich gegen Sparpläne der staatlichen Bahngesellschaft SNCB.
Betroffen war auch der internationale Fernverkehr über Belgien. So war auch der Zugverkehr ab Basel Richtung Belgien gestört. Andere Verbindungen, zum Beispiel Köln-Brüssel wurden mit Ersatzbussen bedient. Der Eurostar von und nach London fuhr nur bis ins nordfranzösische Lille. Beim Hochgeschwindigkeitszug Thalys von und nach Paris sollen im Laufe des Tages nur einige wenige Züge fahren. Auf der Bahnverbindung von Brüssel zum Flughafen in Zaventem nahe der belgischen Hauptstadt fuhr in den Morgenstunden einer von drei Zügen.
Während des letzten Jahrzehnts hat sich die Zahl der Verzögerungen verdoppelt. Die Kundenzufriedenheit der Passagiere ist in den Keller gerutscht. Die Zahl der Unfälle hat sich deutlich erhöht, was die Sicherheit der Reisenden zunehmend gefährdet. Dennoch verfolgt die Regierung weiterhin die gleiche Strategie, die zu diesem Zustand geführt hat.
Wie soll es zu weniger Verzögerungen kommen, wenn nach den Plänen der Regierung vom 06. Dezember 2015 weitere 3 Milliarden Euro eingespart werden, wenn weniger Investitionen in die Instandhaltung der Gleise und des rollenden Materials getätigt werden und zusätzlich 7 000 Arbeitsplätze verschwinden sollen? Wie soll der Zugverkehr für alle zugänglich bleiben, wenn die Tarife über 50 Prozent steigen sollen? Wie soll die Sicherheit in den Zügen erhöht werden, wenn einer von fünf Zügen ohne Zugbegleiter fährt? Wie soll die Sicherheit der Reisenden erhöht werden, wenn die Zugführer mit weniger Erholungszeit und die Signalwächter längere Schichten – bis zu 12 Stunden – fahren müssen? Wie begegnen man dem Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren, wenn rund 800 Kilometer Zugwege allein in Belgien verschwinden anstatt das Schienennetz erweitert wird? Wie soll die SNCB effizient arbeiten, wenn die Eisenbahngesellschaft zunehmend in verschiedenen Einzelunternehmen aufgesplittert wird? Dies sind die Fragen, die sich heute die Eisenbahner stellen, wobei sich die Regierung immer noch hartnäckig weigert, eine klare Antwort zu geben.
„Die Regierung ist für den Konflikt mit der SNCB verantwortlich“, sagte Raoul Hedebouw, Mitglied des belgischen Parlaments und Sprecher der PTB. Er fordert, dass der Galant-Plan sofort zurückgezogen wird. „Nur so kann das Vertrauen wiederhergestellt und der Dialog mit der SNCB fortgesetzt werden.“
Der belgische Bundesminister für Mobilität mit Namen Galant ist immer noch nicht zu echten Verhandlungen bereit. „Als Minister legt er einen Plan vor, der zu einer solchen Misere führt, würde er nach gesundem Menschenverstand handeln, würde der Minister nach Lösungen im Interesse der Arbeitnehmer, der Reisenden und der gesamten Gesellschaft suchen. Aber nein, in den Medien lässt uns der Herr Minister wissen, dass es wichtigere Fragen gäbe, die er zu behandeln habe. Unbegreiflich“, so Raoul Hedebouw.
„Die Regierung sagt, dass sie bereit ist, einen Vermittler zu ernennen, aber nur, um über die Umsetzung ihres bereits vorgelegten Plans zu sprechen. Sie würde nicht ihre Entscheidungen, die sie am 6. Dezember ohne Anhörung vorlegten, zurücknehmen. In der Praxis ist für die Regierung der soziale Dialog ein leeres Wort. Will die Regierung die Situation verschärfen? Die Absicht ist offenbar, die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung von der politischen Verantwortung für die heutigen Probleme der Bahn abzulenken. Will die Regierung alles, was schief läuft bei der Bahn in die Schuhe der Mitarbeiter schieben, um zu verbergen, dass die Entscheidungen des Vorstands und der Politik katastrophale Folgen für die Mobilität und die Umwelt hat? „, fragt sich der Sprecher der Arbeiterpartei Belgiens.
„Diese Regierung setzt auf eine Politik, die in den Konkurs führt, um dann den roten Teppich für die Privatisierung eines großen Teils der SNCB auszurollen. Die Demontage des öffentlichen Dienstes verhindert, dass das Unternehmen einen qualitativ hochwertigen Service zu günstigen Preisen bieten kann. Wenn das die Absicht der Regierung ist, soll sie es klar sagen. Aber sie soll aufhören, den Konflikt auf Kosten der Passagiere und des Eisenbahnpersonal zu führen.“, so Raoul Hedebouw.
„Wenn wir sehen, wie arrogant diese Regierung handelt, können wir die Unzufriedenheit der Arbeiter über den Plan der Regierung nur zu gut verstehen. Im Gegensatz zur Regierung verteidigen die Bahnarbeiter einen Plan für den Erhalt der SNCB als öffentliche Dienstleistung. Wir fordern Klarheit über die wirklichen Ziele der Regierung und verlangen, dass sie alle Anstrengungen unternehmen, um das Vertrauen in die SNCB und ihre Mitarbeiter wiederherzustellen. Ein erster wesentlicher Schritt der Annäherung wäre, dass sie den Galant-Plan sofort zurücknehmen.“, schließt der linke Kongressabgeordnete.
Davon ist nach realistischer Einschätzung allerdings nicht auszugehen. Da die Eisenbahner-Gewerkschaften über den höchsten Organisationsgrad in Belgien verfügen, geht es der amtierenden Regierung darum, diese starke gewerkschaftliche Gegenmacht zu zerschlagen oder zumindest zu schwächen.