Gleich zwei Meinungsforschungsinstitute haben in der vergangen Woche Umfragewerte veröffentlicht, nach denen die SPD bei den Bundestagswahlen 19 Prozent einfahren könnte. Dass die Partei und ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz wieder im Rennen sind, liegt wohl am sozialpolitischen Image, das ihr Werbetexter ohne Scham andichten. Als gäbe es einen kollektiven Gedächtnisverlust, behauptet die Regierungspartei, die mit der „Agenda 2010“ das Hartz-IV- und Sanktionsregime etabliert hat, ein Konzept für einen „Neuen Sozialstaat“ zu haben.
Dazu gehöre zum Beispiel „das Recht auf Arbeit“. Das klingt toll, wird es aber nicht geben. Nicht nur, weil dieses Recht im Kapitalismus nicht zu verwirklichen ist, sondern auch, weil es eben um die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Scholz geht. Der wirbt sogar mit der „aktiven Bekämpfung von Steuerhinterziehung“ – als hätte er keinen Untersuchungsausschuss zu eben diesem Thema an den Hacken. Der Verdacht liegt nahe, dass er sich als Erster Bürgermeister Hamburgs dafür eingesetzt hat, dass das private Bankhaus Warburg im Zuge der Cum-Ex-Steuerhinterziehung um eine Nachzahlung von knapp 50 Millionen Euro herumkam.
Wer ist also gemeint, wenn auf den Plakaten mit dem Konterfei von Olaf Scholz geschrieben steht „Respekt für Dich“? Und wer, wenn die drei Buchstaben SPD nun für „Soziale Politik für Dich“ stehen sollen? Unverdrossen verkündet Scholz das Gegenteil von dem, wofür seine Partei seit Jahren in der Regierung steht.
Andererseits, wer würde schon SPD wählen, wenn auf den Plakaten stünde: „Wir betreiben Sozialkahlschlag, regieren für das Großkapital und binden dabei gerne Sozialpartner ein?“ Der regierenden „Arbeiterpartei“ bleibt kaum etwas anderes übrig, als wieder Solidarität und Gerechtigkeit zu versprechen, um es dann dem Koalitionsvertrag mit der Hauptpartei des Monopolkapitals zu opfern.
Blieben die Umfragen stabil, wäre allerdings eine parlamentarische Mehrheit für „Rot-Rot-Grün“ denkbar. Das hatten wir 2013 schon einmal. Damals scheiterte die Regierungsmehrheit ohne Unionsparteien an der Staatstreue der Sozialdemokratie: Keine Regierung ohne NATO-Treue! Dieses Mal wird es wohl für Schwarz-Rot nicht reichen. Und da es die Führung der Partei „Die Linke“ mit ihren außenpolitischen Positionen nicht mehr so genau nimmt, steht den fröhlichen Farbenspielen nicht viel im Wege.