Israel steigert Angriffe auf Palästinenser

Soziale Explosion

Schüsse mit scharfer Munition, Steinwürfe, Molotowcocktails – tausende Drusen demonstrierten am Dienstag und Mittwoch vergangener Woche gegen den Bau von Windparks auf dem besetzten Golan. Am letzten Freitag wurden die Proteste fortgesetzt. Der nationale Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir erklärte, Israel werde sich nicht denen ergeben, die Steine und Molotowcocktails werfen. Lediglich während des Feiertags Eid al-Adha würden die Arbeiten kurzfristig ausgesetzt.

Der geistliche Führer der Drusen, Mowafaq Tarif, erklärte den Widerstand gegen die Windkraftanlagen für gerechtfertigt. Er präsentierte eine Liste von Forderungen. Würden sie nicht erfüllt, werde es eine klare Antwort geben, wie sie der Staat seit seiner Gründung nicht gesehen habe.

Die religiöse Minderheit der Drusen spielt eine besondere Rolle in Israel. Sie sind Palästinenser mit einer israelischen Identität. Viele dienen als Freiwillige in der Armee, oft in Sondereinheiten. Anders auf dem besetzten – und von Israel 1981 illegal annektierten – Golan. Dort besitzen nur etwa 10 Prozent der Drusen die israelische Staatsbürgerschaft, die meisten behalten ihren syrischen Pass.

Ob als israelische Staatsbürger oder nicht: Drusen fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Das größte Problem ist, dass sie keine Baugenehmigungen erhalten. 1948 gab es etwa 15.000 Drusen in Israel, heute sind es zehnmal so viele. Aber sie durften nicht eine einzige neue Siedlung bauen. Die Regierungen haben immer wieder Hindernisse errichtet und die Aktualisierung von Bebauungsplänen verhindert.

Vor diesem Hintergrund ist der Bau des Windparks eine Provokation zu viel. Seit mehreren Jahren bekämpfen die drusische Community und jüdische Aktivisten das Projekt. Ursprünglich begrüßten viele Einwohner den Bau. Als aber die aufgrund der Errichtung des Windparks erwartbaren Schäden und das Vorgehen des Unternehmens bekannt wurden, nahm die Ablehnung immer mehr zu. Schweres Gerät, das zum Einsatz kommen soll, würde den Bau von Straßen nötig machen; zumindest Teile des Windparks würden auf privatem Grund errichtet werden. Wie in vielen anderen Fällen lautete die Ausrede, die Besitzer könnten keinen Nachweis ihrer Eigentumsrechte vorlegen. Selbst Umweltschutzverbände halten das Projekt für unangemessen.

Die andauernde Vernachlässigung der drusischen Gemeinschaft könne zu einer sozialen Explosion führen, erklärte Tarif.
An anderer Stelle ist diese Explosion bereits im Gange. Die israelische Armee berichtet von einem massiven Anstieg gewaltsamer Zwischenfälle aller Art seit 2019. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, wenn die israelische Armee Razzien auf der Westbank durchführt, Palästinenser verhaftet und Häuser zerstört. In Jenin wurden beim Versuch einer Razzia sieben israelische Soldaten verletzt, als ihr gepanzertes Fahrzeug auf eine Mine auffuhr. Die israelische Armee musste Hubschrauber, Drohnen und Verstärkungen einsetzen, um ihre Soldaten zurückziehen zu können.
Zuletzt war es ein Angriff nahe der illegalen israelischen Siedlung Eli auf der Westbank. Vier Israelis wurden bei dem Angriff getötet, vier weitere wurden verletzt. In einer Racheaktion brandschatzten Siedler in der arabischen Gemeinde Turmus Aya im Norden von Ramallah. Bis zu 30 Häuser und 60 Autos wurden zerstört. Ein Palästinenser wurde getötet, Dutzende wurden verletzt.

Weit über Ben-Gvir und seine Parteifreunde hinaus wird eine neue, breit angelegte Militäroperation gefordert, um „Abschreckung und Sicherheit“ in der Region wiederherzustellen. Es ist die Realität eines andauernden Kriegszustands.

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"Soziale Explosion", UZ vom 30. Juni 2023



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