Soziale Bewegung von rechts

Markus Bernhardt im Gespräch mit Volkmar Wölk

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( privat)

Volkmar Wölk ist Publizist, Pädagoge in der Erwachsenenbildung und regelmäßiger Mitarbeiter der Fachzeitschrift „Der Rechte Rand“. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Ideologieentwicklung der europäischen Rechten. Letzte Veröffentlichung: „Zur Renaissance der europäischen Konservativen Revolution“, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin 2016.

UZ: Sie leben in Sachsen. Der Freistaat gerät aufgrund von Aktivitäten neofaschistischer und rassistischer Parteien, Organisationen und Bewegungen regelmäßig in die Schlagzeilen. Wie ist die extreme Rechte in Sachsen aktuell aufgestellt?

Volkmar Wölk: Wir müssen davon ausgehen, dass wir es in Sachsen mit einer sozialen Bewegung von rechts zu tun haben. Das „Drei-Säulen-Konzept“, das die NPD einstmals propagiert hat, nämlich den Kampf um die Köpfe, den Kampf um die Straße und den Kampf um die Parlamente zu führen, wird hier inzwischen von anderen Kräften erfolgreich umgesetzt. Die NPD hat mit ihren zwei Legislaturperioden im Landtag den Boden beackert, den andere jetzt bestellen und von dem sie bereits ernten. Allen Prognosen und allen Spaltungen zum Trotz existiert PEGIDA weiterhin und bringt regelmäßig in Dresden um die 2 000 Rassistinnen und Rassisten auf die Beine. Das hat Strahlkraft. Sogar der sächsische Generalsekretär der AfD räumt ein, dass die Kreisverbände Dresden, Bautzen, Meißen und Sächsische Schweiz sehr „PEGIDA-lastig“ seien. Zwar sind die Ableger in zahllosen kleineren Städten mehrheitlich eingeschlafen, aber die Initiatoren-Teams gibt es weiterhin als örtlichen organisatorischen Kern. In anderen Fällen, wie in Zwickau, ist die Mehrheit des örtlichen „Bürgerforums“ der AfD beigetreten und verfügt dort inzwischen über einen Mann im Kreisvorstand. Die AfD ist zur PEGIDA-Partei geworden, was zu ihrer weiteren Radikalisierung beigetragen hat. Für die Bundestagswahlen sehen die Meinungsforscher die AfD in Sachsen deutlich über der 20-Prozent-Marke. Das wäre ein Qualitätssprung gegenüber den letzten Landtagswahlen.

Und seien wir ehrlich: Die Stärke der AfD und ihres Umfeldes gründet sich auch auf die Schwäche der antifaschistischen Kräfte und der Parteien. Die AfD hat ihre Direktkandidaten bereits gekürt, teilweise befinden sich diese bereits intensiv im Wahlkampfmodus. Davon ist bei ihren politischen Gegnern noch nichts zu spüren. Wenn es denn einmal eine spürbare Präsenz von Gegenkräften gibt, wie in dieser Woche bei der Einweihung eines Anti-Kriegs-Kunstwerkes in Dresden, zeigen Polizei und Behörden sehr schnell, dass sie auf der Seite jener stehen, die den Oberbürgermeister als „Volksverräter“ beschimpfen. Hier gilt oftmals das gleiche Urteil wie über den „Verfassungsschutz“. Es ist die bekannte sächsische Demokratie.

UZ: Aber Sie machen auch eine konkrete Mitverantwortung der seit dem Ende der DDR in Sachsen (mit-)regierenden CDU aus?

Volkmar Wölk: Natürlich. Es wäre doch mehr als blauäugig zu glauben, dass jemand, der seit über 25 Jahren maßgeblich die Geschicke eines Bundeslandes prägt, also die CDU, nicht zumindest eine gehörige Mitverantwortung an den herrschenden Zuständen trägt. Letztlich gibt es auch in der sächsischen CDU nicht wenige Funktionäre und Mandatsträger, die bereits heute eine Koalition mit der AfD nicht ausschließen mögen. Denken wir nur an den ehemaligen Generalsekretär der Sachsen-CDU und heutigen Europaabgeordneten Herrmann Winkler oder an die Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann. Natürlich sind allgegenwärtige Wissenschaftler wie der PEGIDA-Versteher Werner Patzelt nicht zuletzt wegen ihrer CDU-Nähe auf die Lehrstühle geholt worden. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Richter wie Jens Maier, der jetzt auf Listenplatz 2 der AfD zum Bundestag antritt, zufällig in Sachsen gelandet sind. Die Beispiele ließen sich – leider! – beliebig ergänzen. Ergänzt werden muss allerdings der Gerechtigkeit halber, dass keineswegs die gesamte Sachsen-CDU so ausgerichtet ist. Ich kenne durchaus auch Mitglieder und Funktionäre, die das Gedankengut der AfD aus vollem Herzen ablehnen und entsprechend Stellung beziehen. Das ist eine innerparteiliche Auseinandersetzung, die noch längere Zeit anhalten wird. Fakt ist: Die Angst geht um in der CDU. Das sollten wir ausnutzen, um sie zu klaren Stellungnahmen zu zwingen und sie darauf festzunageln.

UZ: Verstärkt macht auch die sogenannte „Identitäre Bewegung“ von sich reden. Welche Schnittmengen existieren zwischen den traditionellen neofaschistischen Parteien und den „Identitären“?

Volkmar Wölk: Nun, zumindest bei der NPD ist ein gewisser Neid nicht zu übersehen. Zeitweise versuchten die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) ja auch, mit einer eigenen Kampagne, deren Logos bei den Identitären geklaut waren, an deren Popularität im eigenen Lager anzuknüpfen. Erfolglos. Wir haben gesehen, dass es immer wieder Kontakte zum „CasaPound“, faktisch den italienischen Identitären, von Seiten der NPD gegeben hat. Natürlich träumen die davon, so etwas wie „soziale Zentren von rechts“ auch in Deutschland zu etablieren. Aber der Zustand des Neonazi-Lagers spricht dafür, dass das mindestens mittelfristig lediglich Wunschträume bleiben. „Die Rechte“ in Dortmund hat nach dem Vorbild der Identitären den Turm einer Kirche für eine Aktion besetzt. Aber die traditionellen Gruppen sind dabei eindeutig in der Rolle der Lernenden.

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"Soziale Bewegung von rechts", UZ vom 17. Februar 2017



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