Wenn Genosse Rainer D. von einer „Neuauflage kommunistischer Geschichtsklitterung“ schreibt, muss ich das zurückweisen. In den 50 Jahren meiner Verbundenheit mit der kommunistischen Bewegung habe ich nie erlebt, dass der Beitrag der Westmächte zum Sieg bestritten oder bagatellisiert worden wäre. Umgekehrt wäre es aber Klitterung, die Beiträge der Verbündeten zur Befreiung nicht zu gewichten oder sie schlicht gleichzusetzen.
Fakten sind hartnäckig: Auf der Konferenz in Teheran verabredeten Churchill, Roosevelt und Stalin für 1942 die Eröffnung der zweiten Front gegen Hitler. Bis es dann wirklich so weit war, hatten die sowjetischen Genossen Hitlers Angriffe auf Moskau und Leningrad zum Stehen gebracht, der Wehrmacht mit dem Sieg in Stalingrad eine katastrophale Niederlage beigebracht und den letzten Versuch der Wehrmacht, die strategische Initiative zurückzugewinnen, mit einem triumphalen Sieg am Kursker Bogen zerschlagen. Als dann der D-Day mit eineinhalb Jahren Verspätung doch noch kam, war bereits klar, dass Hitler auch ohne zweite Front den Krieg verloren hätte. Direkt nach dem D-Day zerschlug die Rote Armee die Heeresgruppe Mitte in einer Kesselschlacht. Die Nazi-Generäle schätzten diese Niederlage als noch katastrophaler als Stalingrad ein. Bis dahin gab es unter den Rotarmisten einen bitteren Scherz: Wenn sie die Corned-Beef-Dosen aus den USA öffneten, kommentierten sie das: „Ich eröffne die zweite Front.“
Man sollte sich schon fragen, warum die Westalliierten so lange im Wesentlichen untätig blieben und warum sie dann am 6. Juni 1944 handelten. Ich sehe eine mögliche strategische Überlegung darin, dass sie den sowjetischen Verbündeten und zukünftigen Gegner möglichst geschwächt aus dem Krieg hervorgehen lassen wollten. Noch länger zu warten, hätte bedeutet, dass diese in weiteren von ihnen befreiten Ländern die Zukunft in ihrem Sinn beeinflussen könnten. (…)