Der noch vor 20 Jahren in den meisten Branchen übliche freie Samstag wurde in weiten Bereichen gekippt, nachdem er im ersten Schritt als „Familieneinkaufstag“ propagiert wurde. Und die seit 25 Jahren z.B. in Rheinland-Pfalz von 56 auf 96 zulässige Stunden erhöhten Ladenöffnungszeiten haben weit über den Einzelhandel hinaus die Funktion des Türöffners für Verhältnisse, in denen letztendlich sieben mal 24 Stunden lang der Profit gemehrt werden soll (siehe UZ vom 17.03.17).
Die Sonntagsöffnungen grundsätzlich auf Null zu reduzieren ist auch eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aller, aber auch der Verteidigung des letzten grundsätzlich gemeinsam freien Tages für alle. Hilfreich ist da ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Oktober. Dazu das Gericht in einer Pressemitteilung: „An diesen Tagen soll grundsätzlich die Geschäftigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Die soziale Bedeutung des Sonn- und Feiertagsschutzes im weltlichen Bereich resultiert wesentlich aus der synchronen Taktung des sozialen Lebens.“ Dem stehen die Forderungen des Deutschen Handelsverbands entgegen. Auf dessen Verbandstag forderte sein Vorsitzender Sanktjohanser zehn offene Sonntage, Karstadt-Chef Fanderl gar 12 als Einstieg in die generelle Sonntagsöffnung.
Das Elend der Kommunalpolitik tritt auch hier deutlich zutage in Gestalt von Politikern, die an eine verfassungsgemäße Finanzierung der Kommunen durch Bund und Länder nicht mehr glauben oder nie bereit waren, sie von ihren Parteifreunden in den jeweiligen Parlamenten einzufordern. Stattdessen genehmigen sie abseits der Rechtslage den Einzelhandelskonzernen willfährig Sonntagsöffnungen in der Hoffnung, den von ihren Parteifreunden regierten Nachbarkommunen Kaufkraft und damit Einnahmen abjagen zu können.
Schwächstes Glied in diesem Null-Summen-Spiel sind zumeist Beschäftigte und deren Betriebsräte, wenn letztere überhaupt existieren. Dem Druck, ggf. als einziges Geschäft am Ort geschlossen zu haben, halten auf Dauer wenige aus. Kommt hinzu, dass den Verkäuferinnen und Verkäufern – es sind zumeist Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen – der Sonntagseinsatz oft „vergoldet“ wird. Noch, denn wäre sonntags immer auf, versuchten die Unternehmer Zuschläge etc. zu streichen, so wie schon 2015. In der damaligen Tarifrunde hätten sie gerne die Spät- und Samstagszuschläge gestrichen, da es ja nun um normale Geschäftszeiten gehe. Im monatelangen Arbeitskampf konnte ver.di u. a. diese Zuschläge verteidigen.
Verlierer sind aber auch ein Großteil der inhabergeführten Geschäfte. Für sie bedeuten Sonntagsöffnungen zumeist mehr Aufwand als zusätzlicher Gewinn, die Konkurrenz durch die Konzerne wird erdrückender. Es fehlt zumeist der Mut, den tonangebenden Konzernen in den lokalen Einzelhandelsverbänden nein zu sagen. Nachteile an anderer Stelle werden befürchtet. Endgültig weich geklopft werden sie dann mit dem Hinweis auf den Internethandel. Dabei sind es gerade auch diese Konzerne, die ihn forcieren. In der Heimatstadt des Autors z. B. ist der Kaufhof-Chef zugleich zweiter Vorsitzender des Vereins, der die Sonntagsöffnungen beantragt und organisiert. Regelmäßig schickt er seine Beschäftigten und die der anderen in die sonntägliche Schlacht gegen den Internethandel, protzt dann aber öffentlich damit, dass sein Internethandel im Weihnachtsgeschäft vervierfacht worden sei.
ver.di klagt zunehmend erfolgreich, aber auch die Kirchen oder die Katholische Arbeitnehmerbewegung. Sie haben sich, teils mit weiteren Bündnispartnern, auf allen Ebenen zu Allianzen für den freien Sonntag zusammengeschlossen. Wichtig ist, dass auch nicht direkt Betroffene den Kampf um den freien Sonntag als gesellschaftlichen in ihrem eigenen Interesse begreifen und eingreifen. Die bundesweite Sonntagsallianz sagt: „Leben ist mehr als Arbeit, Produktion und Geld verdienen!“