NRW-Landesregierung passen Verwaltungsgerichtsurteile nicht

Sonntags zu

Von Herbert Schedlbauer

Die Einzelhandelskonzerne, deren Helfershelfer in den Kommunen und der NRW Landesregierung werden zunehmend nervös. Schon wieder hat ein Verwaltungsgericht 28 verkaufsoffene Sonntage für 2017 gekippt. Diesmal in Essen. Die Richter begründeten in einem Eilverfahren am 13. März ihre Entscheidung damit, dass die angegebenen Gründe in keinem Fall ausreichen.

Die Behörde machte klar, dass verkaufsoffene Sonntage nur begleitend zu Festen, wie Jahrmärkten, möglich sind. Sie dürfen nicht dem Selbstzweck dienen, die Läden länger zu öffnen. Getreu ihrer Aufgabe „Wir setzen durch, was von oben verlangt wird“, mussten SPD und CDU sich eines Besseren belehren lassen. Dem Streben nach Profitmaximierung, gegenüber den Kunden dargestellt als Gelegenheit, auch sonntags Schnäppchen zu erhaschen, wurde zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ein Riegel vorgelegt.

Welche fadenscheinigen Gründe dafür herhalten müssen, zeigt Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Der bezeichnete es als ungerecht, weil an Sonntagen Trödelmärkte öffnen dürften, der Einzelhandel aber keine Erlaubnis zum Verkauf an ausgewählten Sonn- und Feiertagen erhalte.

Zugelassen ist nur ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Veranstaltung und den geöffneten Läden selbst. Den Großteil der Stadträte stört das wenig. Abgehoben und ohne Rücksprache mit ver.di sind diese lieber die Erfüllungsgehilfen des Einzelhandels. Dabei hatte ver.di immer wieder Gespräche vor den jeweiligen Ratssitzungen angeboten.

Wenn ver.di Klage erhob, wurden die verkaufsoffenen Sonntage per Gerichtsbeschluss meistens erfolgreich gestoppt. Möglich wird dies durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus 2015. Danach darf sonntägliches Shoppen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht im Vordergrund stehen. Veranstaltungen wie Messen oder Stadtteilfeste, auf die Einzelhandelsverbände und Kommunen Bezug nehmen, müssen mehr Besucher in die Stadt locken als die Geschäfte. Neben Essen klagt ver.di in mehreren anderen Städten, darunter auch Düsseldorf. In Köln wurden 35 beantragte Sonntage nach Klageerhebung vom Handelsverband zurückgezogen.

Die Niederlagen vor der Justiz und die richterliche Absicherung des Schutzes vor Sonntagsarbeit mobilisiert die Handelsbosse. Hilfe erwarten diese nun vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD). Prompt lud dieser für den 17. März zu einem runden Tisch ein. Ein ver.di-Sprecher erklärte gegenüber unserer Zeitung, Duin sei besorgt, da die Urteile Kunden und Händler verunsichern. Diese bräuchten nach Meinung des Ministers „Rechtssicherheit“. Als Gewerkschaft habe man jedoch zu verstehen gegeben, „auch zukünftig Klage zu erheben, wenn dies das Bundesverwaltungsurteil ermögliche“, so der Sprecher.

Bis Ostern wird es laut ver.di einen weiteren Termin mit dem Wirtschaftministerium geben. Druck kommt dabei auch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Es ist zu befürchten, dass noch vor der Landtagswahl am 14. Mai eine Vereinbarung zustande kommt, die im Interesse des Kapitals eine Regelung trifft und mehr als vier verkaufsoffene Sonntage in Zukunft nicht nur in Essen erlaubt. Die Beschäftigten muss dies hellhörig machen. Setzen sich Duin und die Vertreter des Einzelhandels durch, wird dies zu weiterer Flexibilisierung der Arbeitzeiten und zur Aufweichung des Verbots von Sonntagsarbeit führen.

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"Sonntags zu", UZ vom 24. März 2017



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