Was machen Kommunalpolitiker eigentlich in der Sommerpause? Während die Räte schweigen und die politischen Auseinandersetzungen vor Ort ruhen, sind die Möglichkeiten zur persönlichen Profilierung rar gesät. Doch in diesem Sommer wurde endlich eine Lösung für dieses Problem gefunden: Wohl dem, dessen Stadt ein überfülltes Freibad hat.
„Düsseldorfer müsste man sein“, dachte sich wohl so mancher Lokalpolitiker, der in den vergangenen Tagen neidisch auf Thomas Geisel (SPD) blickte. Denn der Düsseldorfer Oberbürgermeister durfte gleich mehrfach für Schlagzeilen im Sommerloch sorgen und sich mit der Erfindung der „Rheinbad-Krawalle“ als Schutzheiliger des sittsamen deutschen Badegastes inszenieren.
Im Rheinbad war es in diesem Sommer zu mehreren medienwirksamen Polizeieinsätzen gekommen. Die größte Aufmerksamkeit zog die Räumung des Bades am 26. Juli auf sich. Medien berichteten von 50 bis 60 „randalierenden Jugendlichen“ („Die Welt“), die „offenkundig die Kontrolle im Bad“ („Rheinische Post“) übernehmen wollten. Die Düsseldorfer Polizei gab in rassekundlicher Manier bekannt, dass die Gefahr „augenscheinlich“ von „Jugendlichen und jungen Männern mit Migrationshintergrund nordafrikanischen Typus“ (!) ausgegangen sei. OB Geisel sah „Jugendbanden“ am Werk und schwadronierte von „ausländerrechtlichen Konsequenzen“. Beifall für solche Forderungen gab es von rechts und oben. Selbst das Bundesinnenministerium meldete sich in Person des Parlamentarischen Staatssekretärs Günter Krings (CDU) zu Wort und forderte „in solchen Fällen“ eine konsequentere Zusammenarbeit bei „aufenthaltsbeendenden Maßnahmen“. Die unheimliche Geschichte vom „Tumult“ (FAZ) im Freibad war ein gefundenes Fressen für alle Akteure, die sich selbst gerne als knallharte Ordnungshüter profilieren wollten. Nur einen Haken gab es: Sie stimmte nicht.
Bereits kurz nach der Räumung meldeten sich Zeugen zu Wort, die von der publizierten „Randale“ („Bild“) nicht viel mitbekommen hatten. Nach der Sichtung von (unveröffentlichten) Videoaufnahmen musste dann auch die Stadtspitze zurückrudern. Nein, so viele Jugendliche seien es nicht gewesen, auch um „marodierende Jugendbanden“ habe es sich nicht gehandelt, wie Geisel nun erklärte. Niemand hatte versucht, die Herrschaft über das Bad zu erlangen, ja, den Badegästen wurde noch nicht einmal das „Badevergnügen verunmöglicht“. Es gab weder Verletzte noch Sachschäden. Allem Anschein nach hatten sich ein paar junge Leute geweigert, die Rutsche zu verlassen und mit diesem simplen Verstoß gegen die Badeordnung den Vorwand für die nachfolgende Hysterie geliefert.
Die Erzählung von den „Rheinbad-Krawallen“ war nicht mehr zu halten, doch der Schaden war bereits angerichtet. Die Ängste waren geschürt, Überwachungsmaßnahmen wurden ausgeweitet und migrantische Jugendliche unter Generalverdacht gestellt. Als dann am vergangenen Sonntag auch noch eine größere Gruppe von Neonazis Einlass in das Bad begehrte, um dort als „Bürgerwehr“ aufzutreten, ließ sich nicht mehr verleugnen, in wessen Karten die Düsseldorfer Akteure mit ihren falschen Behauptungen gespielt hatten. „Es war offenbar ein Fehler, das Rheinbad am Freitag vor einer Woche erneut zu räumen“, erklärte Geisel dann auch gegenüber dem „Express“, zu spät.
Düsseldorf ist kein Einzelfall. Kommunale „Sicherheitspolitik“ hat Konjunktur. Um objektive Sicherheit, also den Schutz vor Kriminalität, geht es dabei in der Regel nicht. Lokalpolitiker und Bürgermeister überbieten sich in vielen Gemeinden mit Forderungen zur Stärkung des „Sicherheitsgefühls“. Doch eben dieses Gefühl zerstören die „Sicherheitspolitiker“ mit ihren scheinheiligen Versuchen, die irrationalen und rassistischen Regungen des rechten Randes aus wahltaktischen Gründen in eine scheinbar „geordnete bürgerliche“ Politik umzumünzen. Im Ergebnis patrouillieren private Sicherheitsdienste durch die Straßen, werden Ordnungskräfte aufgerüstet und das Ordnungsrecht verschärft. Nicht selten richten sich die Maßnahmen gegen Obdachlose, Jugendliche und Migranten. Jedes unangepasste Verhalten, jedes Aufbäumen gegen die Verdrängung aus dem öffentlichen Raum dient dann zugleich als Vorwand für weitere Repressionen gegen diese Gruppen, um deren „Sicherheitsgefühl“ es offensichtlich nicht geht. Die Entsolidarisierung wird zum Gradmesser der inneren „Sicherheit“. Der deutsche Diskurs im Sommer 2019: Wer die Baderegeln bricht, soll abgeschoben werden – und dazu braucht es nicht einmal die AfD.