Den bisher größten Streik im daran nicht armen britischen „Sommer der Unzufriedenheit“ nennt der „Morning Star“ die Aktion der Postangestellten Ende vergangener Woche. Über 115.000 Angestellte der „Royal Mail“, der britischen Post, hatten am Freitag die Arbeit niedergelegt. Sie sind zusammengeschlossen in der Communication Workers Union (CWU) – es soll der erste von vorerst vier Streiktagen sein. Die Angestellten der privatisierten Zweige der Kommunikationsbranche sollten am Mittwoch dieser Woche (nach Redaktionsschluss von UZ) sowie am 8. und 9. September in den Streik treten. Ebenfalls nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe sollten die Arbeiter in den industriellen Bereichen der Kommunikationsbranche den Streik verstärken. In der Auseinandersetzung um höhere Löhne gab es bereits im Frühjahr drei Ausstandstage.
Der Generalsekretär der Communication Wokers Union, Dave Ward, hatte schon im Vorfeld des Wochenendes eine hohe Streikbeteiligung vorausgesagt: „Wir können nicht weiterhin in einem Land leben, in dem die Bosse Milliarden an Profiten einheimsen, während ihre Angestellten gezwungen sind, zur Tafel zu gehen“, begründete Ward die hohe Streikbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder.
Ein Sprecher von „Royal Mail“ zeigte sich „enttäuscht“ über den erneuten Streik. Man habe eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent angeboten, die die Gewerkschaft einfach „kategorisch abgelehnt“ hätte. Für Britannien wird ab Oktober eine Inflationsrate von mindestens 18 Prozent erwartet – vor zwei Wochen lag die Schätzung noch bei 13 Prozent.
Generalsekretär Ward machte deutlich, dass die Gewerkschaft keine „Plädoyers für die Armut“ von „Royal Mail“ akzeptieren würde, nachdem 400 Millionen Pfund an Aktionäre ausgeschüttet und im vergangenen Jahr ein Umsatz von mehr als 758 Millionen Pfund gemacht worden sei.
Separat davon laufen weiterhin Streiks in den Poststellen Britanniens. Nach drei Streiktagen, die auf das Angebot folgten, die Löhne für das vergangene Finanzjahr 2021/22 einzufrieren und für das laufende Jahr eine Erhöhung weit unter der Inflation zu zahlen, steht das Angebot nun bei 5,5 Prozent Lohnerhöhung und einer Einmalzahlung von 500 Pfund. Die CWU reagierte mit einem weiteren Streiktag. Der fiel zusammen mit einem von zwei Streiktagen der 40.000 ebenfalls in der CWU organisierten Callcenter-Mitarbeiter und Technikerinnen bei „Openreach“.
In diesem Sommer sind in Britannien tausende Mitarbeiter der Bahn, Lokführer, Strafverteidiger und Mitarbeiter der Prüfungsausschüsse für schulische Abschlussprüfungen in den Streik getreten. Für 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NHS läuft die Urabstimmung, genauso wie für die Lehrerinnen und Lehrer in England und Wales.
In Schottland streiken die Mitarbeiter der Kommunen für höhere Löhne, die bei Unison organisierten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes planen einen weiteren dreitägigen Ausstand in Schulen und Kindergärten, die von Unite und GMB repräsentierten Müllwerker waren bereits in der vergangenen Woche in den Streik getreten.
Acht Tage lang streikten die Hafenarbeiter in Britanniens größtem Hafen, Felixstowe. Kranführer, Maschinenführer und Stauer hatten das letzte Angebot von 7 Prozent mehr Lohn und einer Einmalzahlung von 500 Pfund abgelehnt, da es in keiner Weise mit der Inflation mithalte.
Die Stimmung in Britannien scheint sich nach mehr als zehn Jahren Lohnverzicht gedreht zu haben, das Land erlebt die größte Streikbewegung seit den Bergarbeiterstreiks von 1980. Die Herrschenden haben die Rechnung ohne die gemacht, die sie bezahlen sollen. Vom Generalstreik wird nicht mehr nur geflüstert.