Bis heute sind nicht alle Umstände der Solinger Morde vollständig aufgeklärt

Solinger BürgerInnen erinnern an Brandanschlag

Von Thomas Klingbeil

Für viele Solingerinnen und Solinger stand das vergangene Wochenende im Zeichen der Erinnerung an den rassistischen Brandanschlag auf das Haus der Familie Genc vor 23 Jahren. Das war geschehen: Damals waren Gürsün Ince, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç in den Flammen oder beim Sprung aus dem Fenster gestorben. Weitere Familienmitglieder wurden teilweise schwer verletzt. Drei Tage zuvor hatte der Deutsche Bundestag mit der Einführung der so genannten Drittstaatenregelung das Grundrecht auf Asyl in Deutschland faktisch abgeschafft. „Das Boot ist voll“ – „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ war damals nicht nur die Parole der Neonazis. Allein 1992 kam es zu rund 2 000 rassistischen Anschlägen und Übergriffen. 17 Menschen wurden allein in jenem Jahr von Neonazis umgebracht.

Bis heute sind nicht alle Umstände der Solinger Morde vollständig aufgeklärt. So ist nach viel vor im Dunkeln, inwieweit der „Verfassungsschutz“ seine Finger in Spiel hatte. War doch eine Kampfsportschule, die ein „V-Mann“ betrieben hatte, ein gewisses Zen­trum der rassistischen Umtriebe. Mehrere der jungen Täter ließen sich dort „trainieren“.

Das Bündnis „Bunt statt Braun“ lud zur samstäglichen Demo ein. Im Aufruf dazu heißt es:

Solingen hat sich bemüht die Lehren aus dem Brandanschlag am 29. Mai 1993 zu ziehen. Trotzdem ist – angesichts der zu nehmenden Hetze gegen Migrantinnen und Migranten und zu uns Geflüchteten, angesichts der wöchentlich stattfindenden Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte – die Gefahr groß, dass sich die erlebte Gewalt auch in unserer Stadt wiederholen könnte. Denn auch in Solingen schüren Rechtsextreme und –Populisten die Angst vor Überfremdung und Islamisierung.

All jene, die sich mit Grauen an die Brandanschläge der 1990er Jahre erinnern, die angesichts der Hinrichtungen durch den NSU Entsetzen empfinden und denen sich angesichts des alltäglichen Rassismus der Magen umdreht sind gefragt, einzutreten für gleiche soziale und politische Rechte für alle Menschen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, kommunales Wahlrecht für alle Solingerinnen und Solinger, ein wirkliches Bleiberecht für alle hier lebenden Menschen, das Recht auf Doppelte Staatsangehörigkeit, engagierte Arbeit gegen Rassismus und diskriminierende Verhaltensweisen.“ Ebenso wird gefordert: „Kein Mensch ist illegal! Stoppt die menschenverachtende Abschiebepraxis!“

Die Aussagen unterstützen in ihren Reden Nico Bischoff für das Bündnis „Bunt statt Braun“ als einer der jungen Initiatoren der Aktion, der Oberbürgermeister der Stadt Solingen, Tim Kurzbach mit einem Grußwort, die Superintendantin Dr. Ilka Werner und weitere Redner.

Die Aktion klang aus mit einem kleinen antirassistischen Konzert im beliebten Südpark. Am Sonntagabend lud dann die Stadt ein zur offiziellen Erinnerungsfeier am Mahnmal gegen Rassismus und Nazis. Dieses Mahnmal hat seine eigene Geschichte: Beginnend 1993, als Reaktion auf den Brandanschlag, konnten sich alle, die es wollten, bei der Jugendhilfewerkstatt der Stadt Solingen einen Ring bestellen und den Namen eingravieren lassen. Dieser Ring wurde dann den vielen schon vorhandenen Ringen zugefügt. Mittlerweile sind es tausende.

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"Solinger BürgerInnen erinnern an Brandanschlag", UZ vom 3. Juni 2016



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